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Der Mondscheingarten

Der Mondscheingarten

Titel: Der Mondscheingarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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verspreche ich.«
    Doch das heiterte Roger Gallway keineswegs auf. Er sagte zwar nichts, doch Rose wusste genau, dass sein stummes Vorsichhinbrüten nichts anderes als Enttäuschung bedeutete.
    »Ach Liebling, nun lass das Mädchen doch«, sagte ihre Mutter, als sie zum Tisch kam. »Sie ist kein kleines Kind mehr, wie du siehst. Sie ist eine erwachsene Frau, und wenn sie erst einmal verheiratet ist, kann sie auch nicht mehr ohne weiteres bei uns sein.«
    »Aber sie ist noch nicht verheiratet.«
    »Eines Tages wird es so weit sein. Bis dahin freu dich einfach darüber, dass sie da ist.«
    Rose wusste nicht, warum, aber plötzlich hatte sie Paul Havenden vor Augen. Rasch schüttelte sie diesen Gedanken wieder ab und widmete sich ihrer Schale Reis, den sie mit ­einer scharfen Soße würzte und noch ein paar Garnelen ­dazulegte.
    In dieser Nacht machte Rose lange kein Auge zu. Nicht, dass sie sich in ihrem alten Kinderzimmer gefürchtet hätte. Nein, gerade das vertraute Gefühl, das sich sogleich wieder eingestellt hatte, als sie durch die Tür getreten war, vertrieb ihre Müdigkeit und zerrte erneut Bilder aus ihrer Erinnerung hervor.
    Solange sie denken konnte, hatte sie sich der Musik verschrieben. Viele der Mädchen auf Mrs Faradays Schule waren von ihren Eltern dazu gezwungen worden, das Geigenspiel zu erlernen, sie selbst hatte es als Verlust empfunden, wenn sie mal einen Tag nicht spielen konnte. Mit Schrecken erinnerte sie sich daran, dass sie, kaum dass sie drei Monate in London gewesen war, an Scharlach erkrankt war, im abgedunkelten Raum liegen musste und kaum ein Geräusch zu Ohren bekam, weil man nicht wollte, dass sie ihr Augenlicht und ihr Gehör verlor. Diese stummen Wochen waren die schlimmsten ihres Lebens gewesen, hatten ihr aber auch die Fähigkeit verliehen, sich Melodien auch dann vorstellen zu können, wenn sie sie nicht hörte.
    Über Männer hatte sie sich allerdings nur wenige Gedanken gemacht. Sie hatte viele Verehrer, aber einen Ehemann an ihrer Seite konnte sie sich nicht vorstellen. Der Engländer war der Erste, der eine gewisse Schwärmerei in ihr geweckt hatte, doch auch bei ihm war sie nicht sicher, ob sie ihr Talent dafür aufgeben würde, seine Frau zu werden.
    Letztlich sah sie aber ein, dass all diese Gedanken Unsinn waren. Havenden ist verlobt, sagte sie sich. Er wird mich nie heiraten. Er war einfach nur freundlich, nichts weiter. Und wahrscheinlich sehe ich ihn nie wieder.
    Am nächsten Morgen, nachdem sie sich von ihren Eltern verabschiedet und versprochen hatte, nicht wieder Jahre bis zum nächsten Wiedersehen verstreichen zu lassen, machte sich Rose auf den Weg zum Hotel.
    Sie war sicher, dass Carmichael vor Sorge schon halb verrückt war – wenn sie verloren ging, gingen auch seine Einnahmen verloren, und das konnte er sich auf keinen Fall erlauben.
    Als es ihr doch gelungen war, einzuschlafen, war Rose von einigen recht wirren Träumen heimgesucht worden. Dafür machte sie die Geschichte ihrer Mutter verantwortlich, doch sie nahm es ihr nicht übel. Immerhin war jemand von ihrem Volk erschienen und hatte von ihr gefordert, ihr bisheriges Leben aufzugeben, um als Stammmutter ein Dorf zu re­gieren!
    Für Rose stand fest, dass auch sie dieser Forderung nicht nachgeben würde. Sie wollte die Welt sehen und nicht in irgendeinem Dschungeldorf versauern! Sie wollte Karriere machen, die Welt sehen! Die Forderungen irgendwelcher Ahnen konnten ihr gestohlen bleiben!
    »Miss Gallway, was für ein Zufall!«, tönte eine Stimme hinter ihr. Als Rose sich umwandte, kam Paul Havenden gerade über die Straße.
    »Lord Havenden«, entgegnete Rose ein wenig gestelzt, denn ihr Herz pochte auf einmal wie wild.
    »Was verschafft mir die Ehre, Sie so früh am Morgen durch die Stadt wandeln zu sehen? Wollen Sie etwa auch zum Hahnenkampf?«
    Rose hob die Augenbrauen. »Sie wollen sich doch nicht etwa dieses scheußliche Schauspiel ansehen.«
    »Mir wurde berichtet, dass es ganz unterhaltsam sein soll.«
    »Wurde Ihnen auch berichtet, dass die Hähne so lange gegeneinander kämpfen, bis eines der Tiere tot ist?«
    »Das ist doch bei einem Hahnenkampf üblich, oder?«
    Rose verzog missbilligend den Mund. »Das ist barbarisch! Auch wenn es eine Tradition in meinem Heimatland ist, ist es nichts, was man einem Touristen empfehlen sollte.«
    »Und was sagen Sie dazu, dass Hühner in die Suppe kommen?« Pauls Augen leuchteten schelmisch. Offenbar schien es ihm zu gefallen, sich mit ihr zu streiten.

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