Der Mondscheingarten
bei einer Überfahrt mal getroffen und berichtet, was für ein patentes Weibsbild sie war.
»Nun, wie gesagt, ich zwinge dich nicht«, gab Paul zurück, und aus irgendeinem Grund fragte er sich, ob Rose Gallway ebenso zimperlich wäre.
»Ich danke dir«, gab Maggie träge zurück und fächelte sich dann wieder Luft zu.
Paul stand einen Moment lang schweigend neben ihr, ohne so recht zu wissen, was er tun sollte. Seine geschäftlichen Verpflichtungen waren für diesen Tag erledigt, und es dürstete ihn förmlich nach einem Ausritt oder Spaziergang. Doch Maggie sah ganz so aus, als wollte sie auf ihrer Chaiselongue festwachsen.
»Jemand hat mir erzählt, dass es hier am Abend ein wirklich reizvolles Schattentheater geben soll«, begann er schließlich in der Hoffnung, dass Maggie sich für ein wenig Kultur begeistern konnte. »Hast du nicht Lust, dir das anzusehen?«
Jetzt richtete sich Maggie auf. Rote Flecken brannten auf ihren Wangen, als hätte sie Fieber. Doch das war nicht der Fall, vielmehr hatte sie sich noch immer nicht an die Wärme gewöhnt. Nicht einmal der Deckenventilator schien genug Kühle zu bringen.
»Schattentheater?«
»Ja, ein Puppenspieler führt ein Stück mit Scherenschnittpuppen auf. Es ist hier eine Tradition.«
Der kleine Funke Interesse, der kurz aufgeflammt war, erlosch sogleich wieder.
»Das heißt, wir müssen runter in die Stadt. Zwischen all diese … Leute.«
»Ja.« Paul ging neben der Chaiselongue in die Hocke und griff nach ihrer Hand. »Schatz, was ist nur los mit dir? Auf dem Empfang hatte ich den Eindruck, dass du dich köstlich amüsiert hast.«
»Das habe ich auch. Aber ich bin auch immer noch erschöpft davon und weiß nicht, ob ich Lust darauf habe, heute wegzugehen.«
»Lust? Aber du bist einundzwanzig! Da haben Frauen für gewöhnlich noch Lust auf alles!«
»Aber nicht in dieser Hitze.«
Paul seufzte. Irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, dass Maggie sich nicht nur vor diesem Land fürchtete, nein, sie schien es abgrundtief zu verachten und zu verabscheuen. Und anscheinend war es zwecklos, die Liebe zu diesem Ort in ihr wecken zu wollen, denn sie hatte ihr Urteil bereits gefällt.
»Wie du meinst, dann gehe ich allein«, sagte er beinahe schon trotzig und zog sich dann ins Schlafzimmer zurück. Die Chancen, dass Maggie doch noch einlenkte, standen zwar nicht besonders gut, aber vielleicht würde sie es sich ja noch überlegen.
Am Abend, kurz bevor Rose sich für die Nacht bereitmachen wollte, erschien Mai ganz aufgeregt in ihrem Zimmer. In der Hand hielt sie einen kleinen Umschlag.
»Da unten ist ein Gentleman, der mir diesen Brief für Sie gegeben hat«, berichtete sie atemlos.
Wieder eine Nachricht vom Gouverneur? Rose nahm das Schreiben an sich, trug es zum Schreibtisch und schlitzte den Umschlag mit einem silbernen Brieföffner auf.
Sehr geehrte Miss Gallway,
tatsächlich ist es mir gelungen, einen der Schattenspieler, von denen Sie gesprochen hatten, ausfindig zu machen. Würden Sie mir die Ehre erweisen, mich dorthin zu begleiten? Heute? Jetzt?
Der Ihre, Paul Havenden
Jedes einzelne Wort schickte einen Feuerstoß durch ihre Adern. Ihre Wangen, ihre Stirn begannen wie im Fieber zu glühen. Diese Hartnäckigkeit!
Hatte sie ihm nicht deutlich genug zu verstehen gegeben, dass sie nicht an einem gemeinsamen Abend mit ihm interessiert war?
»Wie sah der Mann aus, der dir den Brief gegeben hat?«, fragte sie nachdenklich.
»Oh, es war ein sehr schöner Mann. Ich glaube, ich habe ihn kurz im Haus des Gouverneurs gesehen, als ich in der Küche war. Seinen Namen kenne ich nicht, aber er wartet noch immer unten.«
»Er wartet unten?« Rose sah sie entgeistert an. Havenden hatte keinen Diener geschickt? Was sollte sie jetzt tun?
»Ja, er hat mir gesagt, dass ich ihm Ihre Antwort bringen soll, Miss.«
Unter den verwunderten Blicken ihrer Dienerin, die nichts über die näheren Umstände wusste, begann Rose, unruhig im Raum auf und ab zu gehen. Nichts täte sie lieber, als mit Havenden das Schattenspiel zu besuchen. Aber schickte sich das denn? Wieder betrachtete sie den Brief. Es klang nicht so, als sei seine Verlobte ebenfalls mit von der Partie. Sie konnte doch nicht abends mit einem Mann ausgehen, der einer anderen ein Heiratsversprechen gegeben hatte!
Eigentlich hätte sie Mai das Schreiben zurückgeben und ihr sagen sollen, dass sie ihn wegschicken möge. Doch etwas hielt sie davon ab. Was war schon dabei, wenn sie ihn begleitete? Es war
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