Der Mondscheingarten
für ihn aufzugeben?
Letzteres sicher nicht, doch Paul hätte dafür gewiss Verständnis …
Schweigend ritten sie, bis sich die Sonne allmählich dem Horizont zuneigte und die Luft von Dunst durchsetzt wurde.
Schließlich kam der Führer auf sie zugeritten und berichtete in abgehackten niederländischen Worten, dass die Plantage ganz in der Nähe sei.
»Haben Sie gehört?«, wandte sich Paul mit einem Lächeln an Rose. »Gleich werden wir erfahren, ob die Plantage eine lohnende Investition oder ein Pfundgrab ist.«
Das Plantagenhaus wirkte ein wenig verwittert, dennoch leuchtete es wie eine Perle in all dem Grün, das es umgab. Der Besitzer hielt zur Bewachung seines Anwesens zwei große Hunde, Bluthunde, wie Rose erkannte, denn in London hatten sich einige begüterte Herrschaften ähnliche Tiere zum Schutz ihres Grund und Bodens angeschafft.
Das hohe schwarze Eisentor, das in der Mitte jeweils eine kunstvoll gebogene Rosette schmückte, wirkte ein wenig abweisend, genau wie die hohe Hecke, die neben den gemauerten Pfosten emporragte und jeden Blick von außen abschirmte.
Warum diese Sicherheitsvorkehrungen?, fragte sich Rose. Hier draußen würde nie jemand auf die Idee kommen, ihn zu berauben. Und wilde Tiere fanden auf eigenen Wegen hier hinein. Gegen einen Tiger hatten die Hunde keine Chance.
Um sich bemerkbar zu machen, gab es eine Glocke, die weit über das Gelände tönte. Kurz nachdem Paul am Seil gezogen hatte, ertönte ein wütendes Bellen, und die beiden muskulösen schwarzen Tiere stürzten sich so heftig auf das Gitter, dass die Pferde erschrocken zurückwichen.
»Nun, wenn der Hausherr die Glocke nicht gehört hat, die Hunde hört er sicher«, bemerkte Paul trocken.
Tatsächlich kamen nur wenige Augenblicke später zwei Männer den Weg herauf. Einer von ihnen, ein hochgewachsener kräftiger Kerl, der Rose an einen Wildhüter erinnerte, hatte zwei Leinen in der Hand, die er den tobenden Tieren in Windeseile anlegte. Er rief ihnen etwas in scharfem Ton zu und zog dann kurz und kräftig an den Leinen. Die Hunde jaulten einmal kurz auf und legten sich dann demütig neben seine Füße.
»Stachelhalsbänder«, flüsterte Paul, der ihr ihre Frage ganz offensichtlich von der Stirn abgelesen hatte.
Dann öffnete der andere Mann. Dieser war anscheinend nicht der Besitzer der Plantage, sondern der Butler des Hausherrn.
»Herzlich willkommen, Mijnheer Havenden«, sagte er und wandte sich dann mit fragendem Blick Rose zu.
»Das ist meine Verlobte Maggie Warden«, stellte Paul sie vor, worüber Rose dermaßen erschrak, dass sie keinen einzigen Ton herausbrachte.
»Mijnheer van den Broock und Mijnheer Dankers erwarten Sie bereits. Wenn Sie mir bitte folgen würden? Um die Pferde wird sich Anders kümmern, sie sind bei ihm in den besten Händen.«
Der Diener, der so viel und gleichzeitig auch recht wenig Ähnlichkeit mit einem englischen Butler hatte, wandte sich um. Erst jetzt wagte Rose, Paul einen entrüsteten Blick zuzuwerfen. Was hatte er sich dabei gedacht, sie einfach als seine Verlobte vorzustellen? Die beiden Männer, auf die sie gleich treffen würden, wussten doch sicher, wie Pauls Verlobte aussah? Am liebsten hätte sie ihm gleich die Leviten gelesen, doch sie hielt sich zurück. Wenn alles aufflog und die Männer sich wunderten, sollte er sehen, wie er sich herausredete!
Vor lauter Angst und Groll hatte Rose kaum einen Blick auf den wunderbaren Garten geworfen. Erst als sie schon fast an der Freitreppe angelangt waren, die zum Haus führte, bemerkte sie, dass sie in einem Meer aus Blüten stand. Der Plantagenbesitzer hielt nicht viel von der englischen Gartenkunst, er ließ alles wild wuchern – beinahe so, wie es die Ahnen ihrer Mutter taten.
Als sie die Treppe erklommen, entdeckte sie hinter dem Haus, beinahe verborgen von all dem Grün, die Schuppen der Pflanzer und Erntehelfer. Dahinter erstreckten sich terrassenförmig angelegte Zuckerrohrfelder.
»Auf den ersten Blick ist es schon mal recht nett hier, nicht wahr, Liebling?«, fragte Paul mit einem unverschämten Grinsen.
Rose entgegnete darauf nichts. Wahrscheinlich hätte die echte Maggie auch kein anderes Gesicht gezogen, ging es ihr dabei durch den Kopf.
Der Diener führte sie durch das Foyer in eine Art Empfangszimmer, dessen hölzerne Täfelung unter zahlreichen Gemälden beinahe verschwand.
Rose hatte inzwischen das Gefühl, gleich zu platzen. Solange der Diener zugegen war, machte sie gute Miene, doch dann verließ er
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