Der Mondscheingarten
Schmierblätter dieser Gegend endlich mal aus dem Knick kommen, kann ich dir die Kritiken zeigen. Sie sind so gut wie noch nie.«
Rose entwand sich seinem Griff. Zu hören, dass sie gut bei den Leuten ankam, schmeichelte ihr, bestätigte sie aber auch darin, dass Schwärmerei, ja vielleicht sogar Verliebtheit ihr nur guttat.
»Dann solltest du dich vielleicht bei mir entschuldigen«, entgegnete sie kühl. »Oder heb es dir auf, bis ich wieder zurück bin. Ich habe nichts Unrechtes getan, mein Spiel ist nach wie vor brillant, also war die Szene, die du mir gemacht hast, vollkommen ungerechtfertigt. Und jetzt entschuldige mich, ich will meine Mutter nicht warten lassen!«
Damit wandte sie sich um, und auch ohne noch einmal zu Carmichael zurückzublicken, wusste sie, dass er ihr mit säuerlicher Miene hinterherstarrte.
Für den Fall, dass sich ihr Agent doch nicht zurückhalten konnte, ihr nachzuspionieren, hatte Rose mit Havenden alles gründlich besprochen. Sie würde tatsächlich bis zum Hafen gehen, und für jemanden, der ihr folgte, würde es den Anschein machen, als wäre ihr Elternhaus ihr Ziel. Doch kurz vorher, in einer kleinen Gasse, würde sie abbiegen – da sollte er auf sie warten.
Rose pochte das Herz bis zum Hals, während sie versuchte, den Pfützen auszuweichen. In der vergangenen Nacht hatte es heftige Regenschauer gegeben, die allerdings die Luft kein bisschen abgekühlt hatten. Auf den Berghängen klebte jetzt der Dunst wie Watte, die man über grünen Samt gezogen hatte.
Kurz bevor sie die Gasse erreichte, hielt sie inne. Ihre Hände waren kalt vor Erwartung, ihre Wangen glühten. Wenn uns auf der Reise etwas zustößt, wird nicht nur Carmichael mich bis in alle Ewigkeit verfluchen. Aber dann schob sie diesen Gedanken beiseite und schritt energisch weiter. Da hörte sie auch schon das Schnauben der Pferde.
Als sie um die Ecke bog, sah sie drei Pferde. Zwei davon hielt ein braunhäutiger Einheimischer am Zügel, dem dritten tätschelte Paul die Mähne.
»Ah, da sind Sie ja!«, rief er, als er Rose gewahrte. »Ich dachte schon, Sie hätten es sich anders überlegt.«
»Warum sollte ich?«, entgegnete Rose, dann grüßte sie ihren Landsmann auf Malaiisch. »Aber Sie warten doch gewiss noch auf jemand anderen, oder?«
»Nein, wieso?« Paul lächelte sie breit an. »Mein Anwalt, Mijnheer Dankers, ist mir bereits vorausgeritten, er wollte schon mal mit meinem zukünftigen Geschäftspartner sprechen, die Türen öffnen, wenn man so will.«
»Ist der Plantagenbesitzer denn nicht willens, das Geschäft mit Ihnen einzugehen?«
»Doch, sicher, aber der Plantage, an der ich mich beteiligen möchte, geht es wirtschaftlich nicht so schlecht, dass sie nicht auch einen anderen Gesellschafter finden würde. Wenn ich dem Besitzer beispielsweise unsympathisch wäre, würde das Geschäft sicher nicht zustande kommen.«
Rose musste einsehen, dass ihr die Männerwelt nach wie vor ein Rätsel war. Auch Carmichaels Berichte darüber, wie Arrangements zustande kamen, fand sie manchmal im höchsten Maße absurd, aber sie sagte sich, dass sie Künstlerin war und das Geschäft nicht verstehen musste.
»Dann sollten Sie dafür sorgen, dass Sie ihm sympathisch sind«, entgegnete sie, worauf Paul lachte.
»Ihre reizende Begleitung wird ihren Anteil daran haben. Alles andere wird mein Anwalt erledigen. Ich brauche dann nur noch zu lächeln und ein paar geistreiche Bemerkungen zu machen.«
»Glauben Sie wirklich, dass ich den Plantagenbesitzer überzeugen kann?«
Als Pauls Blick ihre Augen traf, verstummte sie. Das war nicht der Blick eines Mannes, der in ihr lediglich eine Begleitung sah, mit der er bei einem Geschäftspartner eine gute Figur machen konnte. Dieser Blick verhieß etwas ganz anderes.
All die moralischen Ermahnungen von Mrs Faraday kehrten in ihren Verstand zurück. Es schickte sich nicht für eine junge Frau, allein mit einem Mann in die Wildnis zu reiten. Eine Anstandsdame oder zumindest eine Dienerin wären nötig gewesen. Doch jetzt stand sie hier, mit einem Mann, den sie äußerst anziehend fand, nur begleitet von einem Führer, der sicher nichts tun würde, um ihre Tugend zu wahren.
Doch wollte sie ihre Tugend wahren? Sie war nicht die verwöhnte Tochter eines Adelshauses. Und sie hielt sich auch für klug genug, um einen Skandal zu vermeiden. Warum sollte sie nicht dem nachgeben, was sich ihr Herz wünschte?
»Also gut, wenn Sie auf niemanden mehr warten …« Rose blickte sich um. Alles
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