Der Mondscheingarten
Zuckerproduktion. Er hatte sehr viel Wissen über Klima, Tiere und Sorten und kannte sich mit den politischen Gegebenheiten bestens aus.
Paul erzählte im Gegenzug Anekdoten von seinem heimatlichen Gut, von der Pferdezucht und vom Ackerbau, wofür beide Männer ein Faible zu haben schienen.
Rose war froh darüber, dass der Plantagenbesitzer nur selten das Wort an sie richtete. Die Fragen, die er stellte, drehten sich meist um London, das van den Broock nie gesehen hatte, so dass Rose sie mühelos beantworten konnte. Dabei musste sie ihre Zunge ziemlich im Zaum halten, um nicht in Anekdoten aus Mrs Faradays Institut zu verfallen. Einmal, als es um ihre Interessen ging, verriet sie sich beinahe, indem sie davon erzählte, dass sie sich sehr für die Werke Vivaldis interessierte. Paul hatte sich daraufhin einen Spaß daraus gemacht, anzumerken, dass sie recht passabel Geige spielen könne, worauf der Plantagenbesitzer natürlich eine Kostprobe haben wollte. Glücklicherweise war seine Geige ein recht anspruchsloses Modell, und da sie ihr Spiel ein wenig schleifen ließ, bemerkte niemand, dass die Frau vor ihnen eine der besten Geigerinnen der Welt war. Nach diesem für ihn wohl recht amüsanten Spaß zwinkerte ihr Paul verschwörerisch zu, und Rose konnte ihm eigentlich nicht mehr böse sein. Ja, eigentlich war es sogar amüsant, den Plantagenbesitzer ein wenig in die Irre zu führen. Rose spielte mit, und der Rest des Abends ging für alle Beteiligten friedlich zu Ende.
Als sie schließlich in ihrem Bett lag – van den Broock, der weder Frau noch Kinder hatte, war glücklicherweise der Ansicht, dass Verlobte noch nicht im gleichen Zimmer schlafen sollten –, blickte sie nachdenklich aus dem Fenster, an dem hin und wieder Fledermäuse und Nachtvögel vorbeihuschten.
Am heutigen Abend hatte sie eine kleine Kostprobe dessen erhalten, was es bedeutete, Pauls Verlobte zu sein. Zum einen hatte es ihr gefallen, von den Männern anerkannt zu werden, ohne dass sie ihnen erst einmal zeigen musste, was sie konnte. Doch zum anderen hatte sie auch bemerkt, dass sie in ihren Augen nichts weiter als Pauls Anhängsel war. Auf der Bühne und auch danach waren alle Augen auf sie gerichtet, niemand, der sie spielen gehört hatte, würde ihr Können bezweifeln. Neben Paul hatte sie sich regelrecht nutzlos gefühlt – oder lag das daran, dass er ihr eine fremde Identität aufgezwungen hatte?
Ein wenig grollte sie ihm immer noch deswegen. Was hätte dagegen gesprochen, sie als Bekannte vorzustellen? Van den Broock machte zwar nicht den Eindruck eines großen Musikliebhabers, aber sie hätte weitaus mehr zur Konversation beitragen können.
Und dennoch, bei allem Ärger, den sie auf Paul verspürte, genoss sie es doch, in seiner Nähe zu sein. Auch wenn Paul ein elender Schuft war, so wollte sie doch dafür sorgen, dass er seinen Anteil an der Plantage bekam. Auf dem Rückweg – vorausgesetzt der Anwalt, der sich die ganze Zeit über sehr zurückgehalten hatte, ritt nicht mit ihnen – würde sie ihm dann die Meinung sagen.
Am nächsten Morgen wurde sie von Paul schon in aller Frühe geweckt, denn van den Broock hatte versprochen, ihnen die Zuckerplantage zu zeigen.
Zunächst wusste sie nicht, wo sie war, dann sah sie Paul und schnellte in die Höhe. Er hatte sich nach dem Klopfen gleich selbst in ihr Zimmer eingelassen.
»Was machen Sie hier?«, rief sie erschrocken und zog die Bettdecke bis zum Kinn hoch.
»Guten Morgen, Rose, entschuldigen Sie bitte mein Eindringen, ich … ich hatte gestern eine Eingebung … Es hat mich einfach nicht losgelassen, und ich glaube, ich sollte meine Chance nutzen.« Er hielt kurz inne und atmete durch, wie um sich zu beruhigen.
»Und das kann nicht bis nachher warten?«, fragte Rose verwundert und gleichzeitig auch ein bisschen nervös, denn Paul schien völlig durch den Wind zu sein.
Zu ihrer großen Verwunderung kniete er plötzlich neben dem Bett nieder. »Rose, willst du meine Frau werden?«
Damit hatte sie nicht gerechnet. Rose riss erschrocken die Augen auf und wich zurück, als hätte er ihr ein ekliges Insekt hingehalten.
»Sie haben den Verstand verloren.«
»Keineswegs«, entgegnete er. »Ich meine es ernst. Könntest du dir vorstellen, meine Frau zu werden? An meiner Seite zu leben. Hier, auf Sumatra.«
»Sie vergessen, dass mein Beruf mich dazu zwingt, durch die Welt zu reisen. Und ich habe nicht vor, meine Geige und die Auftritte aufzugeben.«
»Das müsstest du auch gar
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