Der Mondscheingarten
nicht. Wir richten hier lediglich unseren Hauptwohnsitz ein, du machst deine Reisen, und wenn du es mir erlaubst, begleite ich dich. Und wenn du nicht gerade von deinem Agenten durch die Weltgeschichte gejagt wirst, bist du bei mir, und wir werden lange Reisen durch den Dschungel unternehmen und was immer du willst.«
Rose schüttelte den Kopf. »Sie vergessen Ihre Verlobte.«
»Verlobungen kann man lösen.«
Jetzt war Rose davon überzeugt, dass Paul wirklich seinen Verstand verloren hatte. Vielleicht war es doch besser, sich von hier zu verabschieden. Sollte Paul doch erklären, wieso seine »Verlobte« sich so rasch aus dem Staub machte.
Sie wich zurück, und die Bettdecke mit sich ziehend, stand sie schließlich auf.
»Ich weiß nicht, wie Sie dazu kommen, mir dergleichen am frühen Morgen anzutragen, aber ich bin mir sicher, dass Sie sich damit einen weiteren Scherz erlauben.«
»Ich scherze ganz und gar nicht!«, entgegnete Paul etwas betroffen, während er sich vom Bett zurückzog.
»Umso schlimmer! Wissen Sie denn nicht, welche Konsequenzen das hätte? Was für einen Skandal das nach sich ziehen würde?«
»Das ist mir egal! Ich habe die ganze Nacht darüber gegrübelt. Ich weiß nur, dass es sich richtig anfühlt. Dass es das Richtige ist.«
Rose schüttelte den Kopf. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Auch sie hatte in Gedanken durchgespielt, wie es wäre, seine Frau zu sein – dass er es ernsthaft in Erwägung ziehen würde, damit hatte sie nicht im Geringsten gerechnet. Und noch immer war sie davon überzeugt, dass die Hitze seinem Verstand nicht gutgetan haben konnte. Wie sollte er sonst überhaupt darauf kommen, seine Verlobung lösen zu wollen?
»Ich hätte nicht mit Ihnen reisen sollen«, sagte sie schließlich, während sie nicht wusste, ob es Enttäuschung war, die in ihrer Brust tobte, oder etwas anderes. »Bitte gehen Sie jetzt, ich muss mich anziehen. Immerhin muss ich Ihre Farce ja noch eine Weile mitmachen.«
Paul blickte sie lange an. Seine Miene wirkte enttäuscht, aber auch sehnsüchtig. Meinte er es vielleicht ernst?
Doch selbst wenn, das war alles großer Wahnsinn!
»In Ordnung«, sagte er schließlich seufzend und senkte verwirrt den Blick. »Bitte entschuldigen Sie, ich dachte …«
Rose hätte zu gern gewusst, was er dachte, doch bevor sie den Mut aufbrachte, ihn zu fragen, wandte er sich um und verließ das Zimmer.
Mit einem großen Klumpen im Magen erschien Rose im Esszimmer, wo der Koch für ein wunderbares Frühstück gesorgt hatte. Die drei Männer unterhielten sich bereits lebhaft und erhoben sich, als sie zu ihnen kam.
»Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Nacht, Miss Warden«, sagte der Plantagenbesitzer auf Englisch, das tatsächlich alles andere als gut war.
»Sie war sehr angenehm, danke«, antwortete Rose so akzentfrei sie nur konnte, denn noch immer glaubte sie, dass van den Broock sie auf die Probe stellen wollte.
Während sie sich setzte, warf sie einen Blick auf Paul, der sich wie die anderen ebenfalls auf seinem Platz niederließ. Doch er schaute in seine Teetasse, als gäbe es dort etwas unfassbar Interessantes zu sehen. Rose erkannte Enttäuschung auf seinen Zügen. Verwirrt blickte sie in ihre eigene Tasse, in der gerade Milchwolken im Morgentee erblühten, denn lautlos war ein sundanesischer Diener neben ihr aufgetaucht und hatte ihr eingeschenkt. Hatte sie vorhin eine Chance vertan?
War sie, als Paul das Zimmer verlassen hatte, der Meinung gewesen, das Richtige getan zu haben, zweifelte sie nun, und diese Zweifel verdarben ihr den Appetit und machten sie schweigsam.
Leben kam erst wieder in sie, als sie zur Besichtigung der Plantage aufbrachen.
»Ich hoffe, der Marsch wird Ihnen nicht zu anstrengend, Miss Warden«, bemerkte van den Broock, als sie, vom Gebell der Bluthunde begleitet, über den Hof schritten.
Am liebsten hätte sie geantwortet, dass sie schon mehr als eine kleine Runde um eine Plantage auf Sumatra gelaufen war, doch glücklicherweise konnte sie ihre Zunge im Zaum halten.
»Ich unternehme gern lange Spaziergänge, machen Sie sich keine Sorgen um mich.«
Der Plantagenbesitzer lachte auf. »Ich glaube wirklich, dass Sie die richtige Frau heiraten, Lord Havenden, diesen Geist brauchen wir hier auf Sumatra.«
Paul nickte darauf nur und sah sie immer noch nicht an. Glücklicherweise schien van den Broock nicht darauf erpicht zu sein, dass sie sich vor seinen Augen einen Liebesbeweis lieferten. Er besprach etwas mit seinem
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