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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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volle Reife nicht vor dem Alter von dreizehn Jahren, und die Zeit zwischen Geburt und Erwachsenenalter wird damit verbracht, von den Älteren zu lernen. Sie dürfen erst fressen, wenn die Beute von den älteren Rudelmitgliedern ausgelesen worden ist. Es ist eine Zeit des Lernens, von Versuch und Irrtum, von Beobachten und Nacheifern. Es ist eine verblüffende und ihren Instinkten scheinbar zuwiderlaufende Tatsache, dass Anthropophagen ganz vernarrt in ihre Jungen undsehr nachsichtig mit ihnen sind. Nur in den extremsten Fällen – bei drohendem Hungertod beispielsweise – würden sie sich gegen eins der ihren richten.
    Dergestalt war der von Captain Varner geschilderte Fall, der sich im Laderaum der vom Unglück verfolgten Feronia abspielte, und ein solcher Fall war vermutlich auch der Ursprung der falschen Auffassung, deren Opfer unter anderem auch Sir Walter Raleigh und Shakespeare waren, dass Anthropophagen Kannibalen sind, die ihre Artgenossen fressen. (Dasselbe könnte man gerechterweise dann auch von uns Menschen sagen, wenn man diesen Maßstab anlegt, denn im Angesicht des Hungertodes haben wir ebendiese unvorstellbare Scheußlichkeit auch schon praktiziert.) Und, wie die Bärenmutter ihr Junges verteidigen, wenn eine Bedrohung auftaucht, alle Mitglieder des Rudels die Jungtiere mit grimmiger Entschlossenheit: Die Kleinsten werden im hintersten Winkel des Baus abgesondert; die Jugendlichen sind bei jedem Überfall für die Nachhut vorgesehen, egal, ob es um Nahrung oder, wie im Fall jener regnerischen Frühlingsnacht des Jahres 1888, die Verteidigung des eigenen Territoriums geht.
    Ein jugendlicher Versprengter musste es also sein, vielleicht so alt wie ich – wenn auch zwei Fuß größer und einige Dutzend Pfund schwerer –, der dem Aufruf derjenigen, die Kearns’ Kugel niedergestreckt hatte, zu langsam nachgekommen und von den Übrigen durch den gleißenden Feuerring abgeschnitten worden war. Möglicherweise war er auch, gepackt vom Ungestüm der Jugend, dem Rudel nicht in den Todeskreis gefolgt, sondern hatte sich entschlossen, einen weniger direkten Weg zu dem dreisten Eindringling zu wählen, einen, der dem Feuer ganz auswich und ihn, ungesehen im Tumult des Kampfes, zu dem kleinen Wäldchen brachte, in dem wir kauerten.
    Sein Angriff war nach Anthropophagen-Maßstäben unbeholfen und dilettantisch, was seiner beschränkten Erfahrung oder der Aufregung der Stunde oder einer Kombination von beiden zuzuschreiben war. Zwar hörten wir ihn erst ein paarSekunden, bevor er aus dem tiefen Schatten der Bäume heraussprang, durch das Unterholz stampfen und brechen, doch diese wenigen wertvollen Sekunden genügten Malachi, um zu reagieren.
    In dem Moment, als er aus den Bäumen hinter uns hervorbrach, wirbelte Malachi herum und schoss, ohne zu zielen, denn dafür war nicht genug Zeit; hätte er nicht in diesem Augenblick gefeuert, ich zweifle nicht daran, dass er dem Monster unterlegen wäre, ebenso wie ich und meine aufgeschnittene Schutzbefohlene. Die Kugel traf die Bestie mitten in die Brust, an einem Punkt, der genau zwischen den schwarzen Augen lag, eine tödliche Wunde für einen Menschen, aber wie der Doktor dargelegt hatte, befand sich bei den Anthropophagen, anders als bei ihren menschlichen Verwandten, zwischen den Augen kein lebenswichtiges Organ. Der Schuss verlangsamte ihn kaum, und Malachi hatte keine Zeit zum Nachladen. Er versuchte diese Torheit auch gar nicht, sondern riss die Büchse herum und rammte dem Angreifer den Kolben ins schnappende Maul, so fest er konnte. Die Reaktion erfolgte auf der Stelle: Der Rachen schlug in einem heftigen Krampf zu, das Holz barst mit einem schallendem Krach! in Trümmer, und die ungeheure Gewalt des Bisses – Kearns zufolge mehr als zweitausend Pfund – riss Malachi die Waffe aus den Händen. Blut strömte aus der Wunde des Monsters, lief ihm über die wogende Brust direkt ins Maul und färbte seine Zähne rot. Mit ausgestreckten Armen stürzte es sich auf Malachi, so wie es es bei den Rudelälteren beobachtet hatte, die Tötungspositur; die Augen verdrehten sich nach hinten, als die Arme hochkamen, die Finger der mächtigen Tatzen klafften auseinander und die gekrümmten Widerhaken spreizten sich weit, um maximale Wirkung zu erzielen.
    Malachi wankte zurück … verlor das Gleichgewicht … fiel … Noch eine halbe Sekunde, und es wäre über ihm. Aber ich war nur drei oder vier Fuß weit weg, und eine Kugel legt in einer halben Sekunde eine weite

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