Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist
an.
Morgan wandte sich an den Doktor. »Warthrop, ich habe mich Ihrem Urteil in dieser Angelegenheit gebeugt. Ich habe mich auf Ihre Expertenmeinung verlassen!«
»Nun ja«, meinte Kearns. »Die verdammten Biester sind ja auch tot, oder?«
»Ich schlage vor, Sie sparen sich Ihre Einlassungen für die Verhandlung auf, Mr. Kearns.«
»Doktor«, korrigierte Kearns.
» Dr . Kearns.«
»Cory.«
»Kearns, Cory, ist mir doch egal! Pellinore, wussten Sie, was er vorhat? Wussten Sie im Voraus, was in dieser Truhe war?«
»Ich würde nicht darauf antworten, wenn ich Sie wäre, Warthrop«, sagte Kearns. »Ich kenne einen hervorragenden Anwalt in Washington. Ich gebe Ihnen seinen Namen, wenn Sie wollen.«
»Nein«, sagte der Doktor zu Morgan. »Ich wusste es nicht, aber ich habe es vermutet.«
»Ich trage für ihre Ernährungsweise nicht mehr Verantwortung als für ihre Anwesenheit hier«, sagte Kearns sachlich. »Aber ich verstehe, Wachtmeister. Das ist der Dank, der mir zuteilwird. Sie sind ein Mann des Gesetzes, und ich bin ein Mann der …« Er ließ den Gedanken unvollendet. »Sie haben mich angeheuert, um einen Job zu erledigen, und mir, abhängig von seiner Erfüllung, gewisse Zusagen gegeben. Ich verlange nur, dass Sie mir erlauben, ihn zu Ende zu bringen, bevor Sie unseren Vertrag brechen.«
»Wir hatten keinen Vertrag!«, brauste Morgan auf und hielt dann jählings inne, als ihm die Tragweite von Kearns’ Worten aufging. »Was meinen Sie damit, ›ihn zu Ende zu bringen‹?«
»Es besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass es noch mehr gibt«, sagte Warthrop vorsichtig.
»Noch mehr? Wie viele mehr? Wo?« Morgan ließ seine Blicke hektisch durch die Gegend irren, als rechnete er damit, dass eine weitere Horde Anthropophagen sich aus der Dunkelheit auf uns stürzte.
»Das ist etwas, was wir erst wissen werden, wenn wir dorthin kommen«, antwortete Kearns.
»Wenn wir wohin kommen?«
»Ins traute Heim, Wachtmeister. Sei es auch noch so bescheiden.«
Er lehnte es ab, näher darauf einzugehen; stattdessen ließ er die tapferen Freiwilligen zu sich kommen, dankte ihnen für ihren heldenhaften Einsatz unter wahrhaft außerordentlichen Umständen, verglich sie mit Wellingtons Truppen in derSchlacht von Waterloo und wies sie an, die Körper zur Vernichtung aufzuhäufen. Malachi und ich halfen bei der schauerlichen Aufgabe und zerrten die Leiche des jungen Männchens unter der Plattform heraus, um sie auf den Scheiterhaufen zu werfen. Als Nächstes wurde der makabre Hügel mit einem halben Fass des öligen Brandbeschleunigers getränkt, das für diesen Zweck zurückbehalten worden war.
Bevor er das Streichholz anzündete, sagte Kearns: »Requiescate in pace!« Er warf das Streichholz in die Mitte des Scheiterhaufens. Flammen schlugen hoch in den Nachthimmel, und bald brannte in unseren Nasen der Gestank verbrennenden Fleischs, ein Geruch, der mir nicht unvertraut war. Meine Augen begannen zu tränen, nicht sosehr wegen des Rauchs und des Gestanks, sondern wegen einer Erinnerung, die in diesem Moment deutlicher denn je war.
Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Es war Malachi, in dessen strahlend blauen Augen ich den Widerschein der flackernden Flammen erkennen konnte. Eine Träne lief ihm über die verletzte Wange. Das Feuer war verführerisch warm, aber seine Seelenqualen waren so kalt wie die Gräber, die uns umgaben.
Armer Malachi! Woran dachte er, wenn er diese mordgierigen Monster brennen sah, wenn nicht an seine Familie, an Michael und seinen Vater, an seine Mutter, die ihr Baby mit gebrochenen Armen umklammerte, an seine geliebte Schwester Elizabeth, die ihre Zuflucht bei ihm gesucht und stattdessen den eigenen Tod gefunden hatte? Verspürte er Erleichterung? Fand er, dass Gerechtigkeit geschehen war? Ich bin auch tot . … In meinem Inneren ist nichts , hatte er zu mir gesagt, und ich fragte mich, ob er immer noch so empfand, ob dieser Brand von zerstückelten Gliedmaßen und Rümpfen dazu beitrug, seinen erloschenen Lebensmut wieder aufflackern zu lassen.
Mein Einfühlungsvermögen für sein Leiden war ausgeprägt, denn er und ich waren gemeinsam Gäste in dem verbotenen Königreich, in dem alle Wege zu jener einzigartigenSinnlosigkeit unergründlichen Kummers und unermesslicher Schuld führen. Wir waren keine Fremden in diesen öden Breiten, dieser gnadenlosen Landschaft, wo keine Oase existierte, um unseren brennenden Durst zu stillen. Welcher verdienstliche Arzneitrank, welches magische
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