Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist
Elixier, das die Kunst der Menschen oder Götter feilbot, besaß die Macht, unsere Seelenqualen zu lindern? Ein Jahr war vergangen, seit ich meine Eltern verloren hatte; und noch immer regierten die Erinnerung und ihr Gefolge, die Gebieter der Pein und der Wut, in dem Wüstentum meiner Seele, als wäre seit jener Nacht, in der unser Haus bis auf die Grundmauern abgebrannt war, keine Zeit verstrichen. Wahrlich, beinahe achtzig Jahre später schwelen sie noch in den Ruinen: die geschwärzten, entstellten Leichen meiner Eltern. Ich höre ihre Schreie jetzt so deutlich, wie ich diesen Füllfederhalter über die Seite kratzen oder das Summen des Ventilators auf meinem Schreibtisch oder den Ruf der Baumwachtel vor meinem Fenster höre. Ich sehe meinen Vater in den letzten Momenten seines Lebens mit derselben Klarheit, wie ich den Kalender sehe, der dort drüben an der Wand hängt und den Marsch meiner Tage markiert, oder das Sonnenlicht, das auf dem Rasen schimmert, wo die Libellen schweben und die Schmetterlinge tanzen.
Fast eine Woche lang hatte er im Bett gelegen, dahingestreckt von einem bösartigen Fieber, das gestiegen und zurückgegangen war wie die Gezeiten. Im einen Moment war er glühend heiß; der nächste brachte zähneklappernden Schüttelfrost, den noch so viele auf ihn gehäufte Decken nicht lindern konnten. Nichts wollte in seinem Magen bleiben, und am dritten Tag seiner Bettlägerigkeit begannen auf dem ganzen Körper leuchtend rote Flecke von der Größe von Halbdollarstücken aufzutreten. Meine Mutter ignorierte seine Proteste (»Es ist bloß ein bisschen Fieber, das ist alles«) und ließ den Hausarzt kommen, der einen Fall von Gürtelrose diagnostizierte und eine völlige Genesung voraussagte. Mutter war nicht überzeugt: Er war erst vor Kurzem heimgekommen, nachdem erWarthrop auf einer dessen Expeditionen in unbekannte Gegenden begleitet hatte, und sie hatte den Verdacht, dass er sich irgendeine seltene Tropenkrankheit zugezogen hatte.
Die Haare begannen Vater büschelweise auszugehen; sogar sein Bart und seine Augenwimpern fielen wie Herbstlaub nach dem ersten Frost. Beunruhigt schickte meine Mutter nach Warthrop. Zu diesem Zeitpunkt waren aus dem Ausschlag entzündete, zehncentstückgroße Furunkel mit milchig weißen Zentren geworden, die beim Berühren wehtaten; das kleinste Scheuern seines Nachthemds an einem davon verursachte Vater solche Qualen, dass er in Krämpfe verfiel. Sie zwangen ihn, vollkommen still auf den Decken zu liegen, ein hilfloser Gefangener des Schmerzes. Er konnte nicht essen. Er konnte nicht schlafen. Als Warthrop eintraf, war er in eine Art Dämmerdelirium gefallen, schien ihn nicht zu erkennen und war außerstande, die Erkundigungen des Doktors nach seinem Zustand zu beantworten.
Der Doktor untersuchte die eiternden Entzündungen und nahm Vater eine Blutprobe ab. Er leuchtete ihm in die Augen und in den Hals und sammelte ein paar seiner Haare ein, Strähnen vom Kopfkissen und ein oder zwei, die er ihm aus der kahl werdenden Kopfhaut auszupfte. Er befragte uns über den Verlauf seiner Krankheit und setzte uns wegen unserem eigenen Gesundheitszustand zu. Er maß unsere Temperatur, leuchtete uns mit seinem Licht in die Augen und nahm auch von uns Blutproben.
»Sie wissen, was es ist«, sagte meine Mutter.
»Es könnte eine Gürtelrose sein«, erwiderte der Doktor.
»Aber es ist keine«, erwiderte meine Mutter unbeirrt. »Sie wissen, dass es keine ist. Bitte, Dr. Warthrop, sagen Sie mir, was mit meinem Mann nicht stimmt!«
»Das kann ich nicht, Mary, denn ich weiß es nicht. Ich werde einige Tests durchführen müssen.«
»Wird er durchkommen?«
»Ich glaube, ja. Vielleicht steht ihm noch eine sehr langeZeit bevor«, fügte er geheimnisvoll hinzu. »Für den Augenblick könnten Sie es mit heißen Kompressen versuchen, so heiß, wie er sie ertragen kann. Sollte sich sein Zustand ändern, ob zum Besseren oder zum Schlechteren, so schicken Sie sofort Ihren Jungen zu mir. Ich will ihn dann sehen.«
Die verordnete Behandlung brachte eine vorübergehende Atempause von den Schmerzen. Mutter tunkte Leinenstreifen in einen Topf mit kochendem Wasser, nahm sie mit einer Zange wieder heraus und legte den dampfenden Stoff auf seine Entzündungen. Doch sobald sie auch nur im Geringsten abzukühlen begannen, kehrten die Schmerzen zurück, die jetzt von einem unversöhnlichen, wahnsinnig machenden Juckreiz begleitet wurden.
Es war eine trübselige Aufgabe und erschöpfend für
Weitere Kostenlose Bücher