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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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eine und den Segeltuchsack über die andere Schulter. »Nun, Gentlemen, die Pflicht ruft, was? Wachtmeister, wenn Sie und Mr. Brock hier das Seil für uns halten würden, dann wären wir, glaube ich, so weit. Sind wir so weit, Malachi? Pellinore? Ich bin so weit. Mir ist regelrecht schwindelig vor Vorfreude: Nichts bringt mein Blut so in Wallung wie eine echt gute Jagd!« Sein Gesichtsausdruck spiegelte seine Worte wider. Seine Augen strahlten; seine Wangen glühten. »Die Lampen müssen zu uns heruntergelassen werden, sobald wir unten sind, Wachtmeister – ich will die Leuchtstäbe nicht verschwenden. Nun, wer macht den Anfang? Meinetwegen!«, rief er, ohne auf einen Freiwilligen zu warten. »Ich gehe! Halten Sie fest, Wachtmeister, Mr. Brock; ich habe Lust, aufrecht hinabzusteigen wie ein anständiges zweibeiniges Säugetier. Pellinore, Malachi, ich sehe euch in der Hölle wieder – ich meine, auf dem Boden.«
    Er ließ das Seil in das Loch fallen, schwang die Beine über den Rand und rutschte auf dem Hintern nach vorn, bis er auf der Kante wippte, dann nahm er das Seil in beide Hände, warf einen Blick zu mir hoch, und aus irgendeinem Grund zwinkerte er mir zu, bevor er sich fallen ließ. Im Griff seiner weißknöchligen menschlichen Verankerung straffte sich das Seil und ruckte hierhin und dorthin, während Kearns sich, Hand über Hand, hinunterließ in den Todesraum. Ich hörte das ekelhafte Knirschen seiner Landung in den Skeletttrümmern, und das Seil wurde schlaff.
    »Der Nächste!«, rief er leise. Das blaue Licht des Leuchtstabs spuckte und zischte und ließ seinen Schatten über den Knochenwirrwarr torkeln und taumeln. Bevor der Doktor eine Bewegung machen konnte, ergriff Malachi das Seil. Er sah mich an und sagte: »Wir werden uns bald sehen, Will«, bevor er aus unserem Gesichtskreis verschwand.
    Jetzt war der Doktor an der Reihe. Ich gebe zu, die Worte Nehmen Sie mich mit, Sir! lagen mir auf der Zunge, doch ich sprach sie nicht aus. Er hätte abgelehnt – oder, schlimmer noch, zugestimmt. Aber wäre das wirklich schlimmer gewesen? Waren nicht unsere Geschicke unentwirrbar miteinander verbunden? Waren sie nicht ineinander verflochten seit jener Nacht, in der mein Vater und meine Mutter gestorben waren, sie in seiner und beide in der verzehrenden Umarmung des Feuers? Du bist mir unentbehrlich , hatte er zuvor gesagt. Nicht »deine Dienste«, wie es immer geheißen hatte, seit es sich ergeben hatte, dass ich bei ihm lebte, sondern »du«.
    Als könnte er meine Gedanken lesen, sagte er: »Warte hier auf mich, Will Henry. Geh nicht weg, bis ich wiederkomme.«
    Ich nickte, und in meinen Augen brannten Tränen. »Ja, Sir. Ich werde genau hier auf Sie warten, Sir.«
    Er fiel außer Sicht, in die Futterkrippe des Teufels.
    Als Nächstes wurden ihre Lampen heruntergelassen, und unsere bange Nachtwache begann. Ich blieb dicht bei der Öffnung im Boden der Kammer und beobachtete den Tanz des Leuchtstabfeuers, bis es erlosch, und verfolgte dann angestrengt das schwache gelbe Leuchten der Lampen, bis auch das von der Dunkelheit verschluckt wurde. Brock setzte sich auf die unterste Stufe und machte sich mit seinem Taschenmesser gleichmütig die Fingernägel sauber. Morgan paffte geräuschvoll an seiner leeren Pfeife und beschäftigte sich obsessiv damit, seinen Kneifer auf und ab zu setzen, dazwischen die Gläser nervös mit seinem Taschentuch zu reinigen und sich dieses anschließend eiligst wieder vor den Mund zu halten.
    Nach mehreren Minuten dieses lästigen Rituals – paff, paff, reib, reib – fiel sein ruheloser Blick auf mich, und er flüsterte: »Es wird eine Abrechnung geben, Will Henry, das verspreche ich dir. O ja! Die Schuldigen werden sich für ihre Verbrechen verantworten müssen; dafür werde ich sorgen!«
    »Der Doktor hat nichts Unrechtes getan«, sagte ich.
    »Nun, da bin ich anderer Meinung, Junge. Er hatte Kenntnis davon und hat nichts unternommen. Und die Folge seiner Untätigkeit war Mord, schlicht und ergreifend. Er mag dir und sich selbst erzählen, dass seine Verhaltensweise besonnen war, dass er den Geboten seiner sogenannten Wissenschaft folgte, aber diese Sache war keine wissenschaftliche Untersuchung oder intellektuelle Übung. Es ging dabei um Leben und Tod, und wir wissen beide, wofür er sich entschieden hat! Und wir kennen beide den wahren Grund, weshalb er versuchte, diese Scheußlichkeit geheim zu halten: Um den guten Namen Warthrop zu schützen, aus fehlgeleiteter

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