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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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fort.
    Siebzig Schritte später hörte ich es wieder, definitiv hinter mir und fast sicher ein Teil des Tunnels, der nachgab. Ich lauschte aufmerksam, aber alles, was ich hören konnte, war das leise Zischen der Lampe. Ich überprüfte die Sicherung am Revolver. Meine Nerven waren von der Tortur der Nacht natürlich angespannt und meine Einbildung bevölkert mit Fantasiebildern von bleichen, kopflosen Teufeln, die im Dunkel hausten, doch mein Verstand noch nicht völlig verwirrt. Entweder wurde ich verfolgt oder nicht. Falls ja, so wäre es töricht, meinen Verfolger in diesen klaustrophobischen Verhältnissen – der Tunnel konnte inzwischen in keiner Richtung viel mehr als vier Fuß Durchmesser haben – zu stellen. Falls nein, so brachten mir die furchtsamen Pausen nichts außer Verzögerung ein. Vorwärts!
    Wie hatte Kearns es nur durch diese mühselige Röhre geschafft? Ein Erwachsener wäre gezwungen gewesen zu kriechen, und, wenn er gekrochen war, wie hatte er dann seine Schritte gezählt, wenn Gehen unmöglich war? Vergiss den Erwachsenen – wie sollte ein sieben Fuß großer Koloss von Monster es bewerkstelligen, ohne wie eine Schlange auf seinem zahnbewehrten Bauch zu gleiten? So wie die Wände ringsum dichter an mich heranrückten, beanspruchten auch Zweifel und Angst mehr Raum in meinem Denken. Das hier konnte bestimmt nicht der Hauptgang zurück zur Nistkammer sein. Ich musste ihn falsch verstanden oder eine falsche Abzweigung genommen haben … aber der Weg war doch markiert gewesen, war immer noch markiert, auch wenn der Abstand zwischen den schimmernden Pulverstellen sich auf weit mehr als zwanzig Fuß vergrößert hatte. Und der Tunnel führte weiter abwärts, nicht aufwärts, wie er angekündigt hatte, der Boden war nicht länger hart, sondern schwammig, durchtränkt von Feuchtigkeit, während er sich in die Tiefe hinabsenkte. Ich bewegte mich zollweise und kam quälend langsam voran; die Lampe beleuchtete wenig mehr als die vor Nässe glänzenden Wände und die tropfende Decke, die sich zu tief unter der Erde befand, alsdass selbst die längsten Wurzeln der größten Bäume darüber sie hätten durchdringen können.
    Und dann roch ich es, einen widerwärtig süßen Geruch wie faules Obst, schwach zu Anfang, dann stärker mit jedem qualvollen Meter, ein ekelerregender Gestank, der mir in der Nase brannte und sich tief in meinem Hals festsetzte. Ich hatte ihn schon früher gerochen, auf dem Friedhof in der Nacht, in der Erasmus Gray gestorben war; er hatte sich in meiner Kleidung festgesetzt nach der Umarmung des Jungtiers, dessen deliriösen Schlummer ich gestört hatte. Es war der Geruch der Bestie. Es war der Geruch von ihnen .
    Ich kann nicht sagen, dass ich damals die volle Tragweite dieses Moments begriff, die Bedeutung der verschiedenen Elemente, die jetzt so klar auf der Hand liegt: Die zwei markierten Pfade, einer geradeaus und breit, der andere gekrümmt und schmal; der Tunnel, der nach unten führte, unaufhörlich nach unten; das Geräusch von etwas, das mir folgte; das Entblößen meiner Wunden, um sie »ein bisschen atmen« zu lassen. Solche abgrundtiefe Falschheit liegt jenseits des Begriffsvermögens der meisten Männer, geschweige denn der vertrauensvollen Naivität eines Kindes! Nein, ich war lediglich verwirrt und verängstigt, nicht argwöhnisch, als ich mich hinkniete, vor mir in einer Hand die Lampe, während ich mit der zitternden anderen den Revolver umklammerte. Das Gefälle war steil und der Boden rutschig. Falls ich jetzt umkehrte, müsste ich im Schneckentempo gehen, sofern ich nicht riskieren wollte, für jeden Fuß, den ich vorankam, einen zurückzurutschen. Sollte ich umkehren? Oder sollte ich den entsetzlichen Gestank (vielleicht hatte die Erde selbst ihn aufgesogen wie ein Schwamm) und die kleine, leise Stimme in mir, die flüsterte »Kehr um! Geh zurück!« , ignorieren? Sollte ich vorwärtsdrängen?
    Am Ende wurde mir die Entscheidung abgenommen. Eine Hand langte aus der Dunkelheit und tippte mir auf die Schulter. Mit einem erschreckten Aufschrei wirbelte ich herum und knallte dabei die Lampe an die Wand. Ihr schwankendes Lichtbeleuchtete in manischen Blitzen sein verschmiertes Gesicht, die lebhaften Augen und das leise, ironische Grinsen.
    »Nanu, Will Henry, wo um alles in der Welt treibst du dich denn rum?«, wisperte er. Sein Atem roch so süß wie Lakritze. »Hatte ich dir nicht gesagt, dich an den Weg zu halten und nicht umzukehren?«
    »Das ist nicht der

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