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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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Tod ihn erlöste.
    Über mir hörte ich leises, zufriedenes Lachen, und von der anderen Seite der Höhle, wohin das Licht des Leuchtstabs nicht reichte, eine vertraute Stimme, die meinen Namen rief.
    »Will Henry, bist du das?«
    Ich nickte. Zu einer anderen Antwort war ich nicht fähig. Es schien mir Jahre her zu sein, dass ich diese Stimme gehört hatte, und öfter, als ich zählen konnte, hatte sie mich entnervt, mir einen Schrecken eingejagt, mich mit nicht übertriebener Furcht und nagender Vorahnung erfüllt. Ah, aber jetzt trieb sie mir die Freudentränen in die Augen!
    »Ja, Sir«, rief ich dem Doktor zu. »Ich bin’s.«
    Der Monstrumologe eilte an meine Seite. Er packte mich an den Schultern und blickte mir tief in die Augen, und seine eigenen spiegelten das Ausmaß seiner Sorge wider.
    »Will Henry!«, rief er leise. »Will Henry, wieso bist du hier?« Er zog mich an seine Brust und flüsterte mir glühend ins Ohr: »Ich habe dir doch gesagt, dass du mir unentbehrlich bist.Glaubst du etwa, ich hätte gelogen, Will Henry? Ich mag ein Narr und ein fürchterlicher Wissenschaftler sein, dem Ehrgeiz und Stolz die Augen vor den offensichtlichsten Wahrheiten verschließen, aber eine Sache, die ich nicht bin, ist ein Lügner.«
    Mit diesen Worten gab er mich frei und drehte sich für einen Moment zur Seite, als hätte ihn sein Geständnis in Verlegenheit gebracht. Dann drehte er sich wieder um und fragte schroff: »Nun sag mir, du leichtfertiger, dummer Junge, bist du verletzt?«
    Ich hob den Arm, und er besah ihn sich von oben bis unten im Schein seiner Lampe. Über seine Schulter hinweg konnte ich, am äußeren Rand der Reichweite des Lampenlichts (denn der Leuchtstab war endlich zischend erloschen), Malachi sehen. Sein starrer Blick war nicht auf unser rührendes Tableau, sondern über unsere Köpfe gerichtet, auf das Loch, durch das ich gefallen war.
    Der Doktor wischte vorsichtig die Erde und die winzigen Steinchen aus den Wunden und beugte sich tief herab, um sie im flackernden Licht zu untersuchen. »Es ist ein sauberer Biss und relativ flach«, verkündete er. »Ein paar Stiche und du bist so gut wie neu, Will Henry, auch wenn du ein paar Kriegsnarben zurückbehalten wirst.«
    »Da oben ist etwas«, rief Malachi heiser und zeigte mit dem Finger in Richtung des Höhlendachs. »Über euch!«
    Er riss das Gewehr an die Schulter und hätte abgedrückt, da habe ich keinen Zweifel, hätte Kearns nicht seine Anwesenheit bekannt gegeben und sich durch das Loch fallen lassen. Mit dem ganzen Aplomb eines Meisterturners landete er auf den Füßen, breitete weit die Arme aus, um das Gleichgewicht zu halten, und hielt die Pose aufrecht, als wollte er uns in seiner metaphorischen Umarmung vereinen.
    »Und wieder einmal heißt es: Ende gut, alles gut«, sagte er herzlich. »Oder sollte ich sagen: Ganz kurz vor Schluss ward alles gut? Vielleicht wäre ›So weit, so gut‹ besser – aber hier sind Sie, Pellinore, gerade noch rechtzeitig, Gott sei Dank!«
    Mit zusammengekniffenen Augen antwortete Malachi: »Das ist äußerst seltsam.«
    »Ha, mein lieber Junge, da hättest du mal 85 mit mir in Niger sein sollen! Das war seltsam!«
    »Ich finde es auch seltsam«, sagte der Doktor. »Erzählen Sie mir, Kearns: Wie kam es, dass Will Henry hier unten war und Sie dort oben?«
    »Will Henry fiel; ich nicht.«
    »Er fiel?«, echote Warthrop. Er wandte sich an mich. »Ist das wahr, Will Henry?«
    Ich schüttelte den Kopf. Lügen war die schlimmste Art des Possenreißens. »Nein, Sir, ich wurde gestoßen.«
    »Ach, ›gefallen‹, ›gestoßen‹ – es ist alles eine Frage der Semantik«, tat Kearns die Angelegenheit geringschätzig ab. Er beobachtete verwirrt, wie Malachi ihm die Mündung seines Gewehrs in einem Fuß Entfernung vor die Brust hielt. »Nur zu!«, forderte er das aufgebrachte Waisenkind auf. »Drück doch ab, du unerträglich melodramatisches, semisuizidales, plärrendes Arschloch! Glaubst du ernsthaft, es kümmert mich, ob ich lebe oder sterbe? Aber vielleicht möchtest du in deine Überlegungen den Fakt mit einbeziehen, dass unsere Arbeit noch nicht beendet ist. Sie ist immer noch da draußen irgendwo im Dunkel, und nicht sehr weit entfernt, würde ich vermuten. Nichtsdestoweniger will ich mich nicht erdreisten, ein Urteil zu fällen über dein Urteilsvermögen in diesem Fall. Schieße nach Belieben, und ich werde sterben, wie ich lebte, ohne Bedauern!« Er streckte Malachi herausfordernd die Brust hin und

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