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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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rutschte im Schmodder nach hinten auf den breiter werdenden Riss im Höhlenboden zu, und der Ausdruck in seinen schönen Augen war mir furchtbar vertraut. Ich hatte ihn schon einmal gesehen, in den Augen Erasmus Grays und in den Augen meines armen Vaters: den grotesk komischen Blick der Todgeweihten, wenn das Ende unabwendbar ist.
    Seine Finger schnitten Furchen in die nasse Erde; er strampelte hilflos mit den Beinen. Seine Fußknöchel verschwanden in dem wirbelnden Mahlstrom in der Mitte des schlammigen Strudels hinter ihm, und dann bekam etwas seinen Stiefel zu fassen und zog ihn. Im Nu wurde er bis zu den Knien hinabgesogen.
    Er brüllte meinen Namen. Sein Körper wurde herumgewirbelt wie ein Kreisel und sein Kopf mit solcher Gewalt durch dieGegend gepeitscht, dass ich mir sicher war, er musste sich das Genick gebrochen haben. Er befand sich jetzt in aufrechter Lage, und nur sein sich krümmender Oberkörper war noch sichtbar, der die Arme flehend nach mir ausstreckte, wie Erasmus Gray, wie mein Vater es getan hatte, und diese lautlose Bitte löste meine Erstarrung. Ich machte einen Satz nach vorn, griff nach ihm. »Halt dich fest, Malachi! Halt dich fest!« Er schlug meine Hand weg und gestikulierte wild in Richtung des Sacks, der neben mir lag. Er sank bis zur Brust in den aufgewühlten Boden ein, überwältigt von derselben Bestie, die an Bord der Feronia ihre Faust durch die Brust des Steuermanns Burns geschlagen hatte, und Blut schoss aus seinem weit geöffneten Mund. Sie hatte ihm die Krallen ins Kreuz gerammt und um die Wirbelsäule geschlungen, die sie als eine Art Griff benutzte, um ihn herabzuziehen.
    Ich hatte Malachis wahres Verlangen missdeutet; es hatte nichts mit Rettung zu tun. Anders als Erasmus und mein Vater wollte Malachi keine Erlösung. Er hatte sie nie gewollt. Dafür war es zu spät.
    Wieder zeigte er mit dem Finger verzweifelt auf den Sack. Ich hob ihn auf und warf ihn ihm in die Arme und beobachtete in stummem Entsetzen, wie er eine Granate herausnahm. Er presste sie an die Brust und steckte den Finger durch den Ring, und dann lächelte Malachi Stinnet mich mit blutverschmierten Zähnen triumphierend an.
    Er schloss die Augen; sein Kopf fiel nach hinten; seine Miene strahlte völligen Frieden und Hinnahme aus. Nach und nach verschwand er, zuerst die Arme und die Brust, dann der Hals, bis sich zum letzten Mal seine Augen öffneten und in meine blickten, unerschrocken und unbesorgt.
    »Für Elizabeth«, flüsterte er.
    Er verschwand im blutigen Schaum. Ich warf mich zurück und krabbelte auf allen vieren so schnell von der Stelle weg, wie ich konnte. Die Erde hob sich, die Wände bebten, riesige Brocken lösten sich aus der Decke und krachten herunter. Die Erschütterung der nachfolgenden Explosion ließ mich durch die Luft fliegen. Ausgerechnet der Körper des Jungtiers, das Malachis Kugel zur Strecke gebracht hatte, fing meinen Sturz ab. Einen Moment lang lag ich mit klingenden Ohren wie betäubt auf dem Kadaver, durchnässt von Wasser und Schlamm, übersät mit Fleischspritzern und Knochensplittern. Ich setzte mich auf und rieb mir die Augen; die Pulverrückstände, die wie ein feiner Nebel in der Luft hingen, brannten tief in meinem Hals. Ich warf einen Blick in Richtung des Epizentrums der Katastrophe. Die Explosion hatte einen zehn Fuß breiten Krater geschaffen, in dessen Mitte träge Blasen an die rosarote Oberfläche stiegen.
    Wo war der Doktor? Ich drehte mich nach rechts und schaute angestrengt durch den rauchigen Dunst, um die Öffnung ausfindig zu machen. War sie eingestürzt? Waren er und Kearns jetzt unter Tonnen von Erdreich eingesperrt? War das gesamte Gefüge, geschwächt vom Wasser und auseinandergerissen durch die Explosion, auf ihre Köpfe herabgestürzt und hatte sie zermalmt oder, schlimmer noch, lebendig begraben?
    Ich schwankte einen Moment auf wackligen Beinen, machte einen schlurfenden Schritt auf die Wand zu … und blieb stehen. Der Rauch hatte sich etwas verzogen, und ich konnte die Öffnung sehen; sie war nicht eingestürzt; aber es war nicht dieser willkommene Anblick, der mich nachdenklich stimmte. Es war ein Geräusch – das Geräusch von etwas, das aus dem blutigen Bombenkrater hinter mir aufstieg.
    Mir stellten sich die Nackenhaare auf. Die Haut zwischen meinen Schulterblättern kribbelte, meine Muskeln zuckten. Langsam drehte ich den Kopf um und sah ihre gewaltige Gestalt aufragen wie eine abscheuliche Nachäffung der Venus aus der Brandung, die

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