Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist
schweren Seufzer ein. »Aber du kannst nicht sagen, dass es wegen dem Krieg war. Das Herz eines Mannes ist eine komplizierte Sache, nicht ganz so kompliziert wie das einer Frau, das gebe ich zu, aber nichtsdestoweniger kompliziert. Kann sein, dass etwas es gebrochen hat, wie du sagst, aber was es gebrochen hat, das kannst du nicht sagen.«
Ich konnte es auch nicht sagen, aber ich glaubte, eine gute Vorstellung davon zu haben: Bei Kriegsende waren Alistair Warthrops Hände mit Blut befleckt gewesen. Nicht mit Blut, das auf dem Schlachtfeld vergossen worden war, sondern mit dem Blut, das gallonenweise an Bord der Feronia geflossen war – mit diesem Blut und mit dem Blut, das allen zukünftigen Opfern der Monster gehört hatte, für deren Verfrachtung auf unsere Heimaterde er so unermüdlich gearbeitet hatte, all den Opfern, die auf dem Altar seiner »Philosophie« ihr Leben gelassen hatten.
Ich entdeckte den Doktor in seinem Studierzimmer, wo er in seinem Lieblingssessel am Fenster saß. Die Rouleaus waren heruntergezogen und der Raum ziemlich dunkel; fast hätte ich ihn übersehen, als ich einen Blick hineinwarf. Ich hatte ihn zuerst im Keller gesucht und, als ich nichts außer umgekippten Kisten und Ordnern vorfand, die auf seinem Arbeitstisch verstreut waren, als Nächstes in der Bibliothek nachgesehen, die ich in einem ähnlichen Zustand der Unordnung antraf: Bücher,die von den Regalen geworfen worden waren, alte Zeitungen und Zeitschriften, die in wildem Durcheinander den Boden übersäten. Dem Studierzimmer war es nicht viel besser als der Bibliothek ergangen; der Inhalt sämtlicher Schränke und Schubladen lag in wüsten Haufen auf allen verfügbaren Oberflächen. Das ganze Haus sah aus, als sei es von Banditen durchwühlt worden.
»Will Henry«, sagte er. Er klang unbeschreiblich müde. »Ich hoffe, es ist dir bei deiner Suche besser ergangen als mir bei meiner.«
»Ja, Sir«, erwiderte ich atemlos. »Ich wäre schon eher wieder da gewesen, aber ich hatte vergessen, beim Bäcker haltzumachen, und ich weiß ja, wie sehr Sie seine kleinen Himbeerteilchen mögen, also bin ich zurückgegangen. Hab die beiden letzten erwischt, Sir.«
»Teilchen?«
»Ja, Sir. Und ich habe auch beim Metzger angehalten und bei Mr. Flanagan. Er lässt Sie grüßen, Sir.«
»Wieso keuchst du so? Bist du krank?«
»Nein, Sir, ich bin nach Hause gerannt.«
»Du bist gerannt? Wieso? Wurdest du gejagt?«
»Es war etwas, was Mrs. Flannagan gesagt hat.« Ich platzte fast. Seine Schwermut würde bald von meinen Informationen hinweggefegt werden, da war ich mir sicher.
Er grunzte. »Etwas über mich zweifelsohne. Du solltest nicht mit dieser Frau sprechen, Will Henry. Mit Frauen sprechen ist im Allgemeinen schon gefährlich, aber mit der ist es ein besonderes Risiko.«
»Es ging nicht um Sie, Sir, jedenfalls nicht der wichtige Teil. Es ging um Ihren Vater.«
»Meinen Vater?«
Ich erzählte ihm alles in atemloser Eile, von Slidell und Mason und den Nachforschungen der Pinkerton-Kriminalbeamten in der Stadt (bestätigt von Noonan dem Fleischer und Tanner dem Bäcker), von der allgemein gehegten Überzeugung,dass sein Vater ein Sympathisant der Konföderierten gewesen war, von der hermetischen und niedergeschlagenen Reaktion seines Vaters auf das Ende der Südstaaten, was alles mit der Expedition der Feronia zusammenfiel. Der Doktor unterbrach mich nur einmal, um mich die Namen der Männer wiederholen zu lassen, mit denen Umgang gehabt zu haben sein Vater bezichtigt wurde; ansonsten hörte er mit unveränderlicher Miene zu und betrachtete mich dabei ausdruckslos über seine gefalteten Hände hinweg. Nachdem ich am Ende meiner Erzählung angekommen war, wartete ich mit angehaltenem Atem; bestimmt würde er aus dem Sessel springen, die Arme um mich werfen und mich benedeien, weil ich den gordischen Knoten gelöst hatte.
Sehr zu meinem Verdruss schüttelte er stattdessen den Kopf und sagte leise: »Das war’s? Deshalb bist du hierhergerannt, um mir das zu erzählen?«
»Haben Sie es schon gewusst?« Ich war geknickt.
»Mein Vater war vieler Dinge schuldig«, sagte er, »aber Verrat war keins davon. Es ist möglich, dass er sich mit diesen Männern getroffen hat, und es ist auch möglich, dass ihr Auftrag aufwieglerischer Natur war. Vielleicht verfolgten sie einen hinterhältigen Zweck – sein sonderbarer Beruf war kein Geheimnis in gewissen Kreisen –, aber jeden dunklen Plan, den sie vorgeschlagen hätten, hätte er
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