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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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während mir der Kopf vom salzigen Strom meiner Tränen und dem Schmerz tief in meinem Bauch dröhnte. Sacht öffnete ich die Klapptür und schlich auf Zehenspitzen die Leiter hinunter. Ich steuerte direkt die Küche an, wo ich die Tür zum Keller geschlossen vorfand. Ich hatte keinen Zweifel, dass er dort unten war; es war, wie bei mir mein kleiner Alkoven, sein bevorzugter Zufluchtsort. Indem ich so schnell und leise arbeitete, wie ich konnte, stellte ich den Topf auf den Herd und bereitete mir eine Mahlzeit zu, die meines Heißhungers würdig war und sich durch zwei großartige Lammkoteletts, freundlicherweise von Noonan dem Fleischer zur Verfügung gestellt, auszeichnete. Ich aß meinen Teller mit derselben Geschwindigkeit leer, mit der ich ihn gefüllt hatte, denn eine feinere Mahlzeit hatte ich nie gehabt, und dass obendrein ich selbst sie gekocht hatte, machte sie umso köstlicher, obwohl die Bissen kaum so lange auf meiner Zunge verweilten, dass ich sie schmecken konnte.
    Als ich den Fleischsaft des Lamms mit einem Batzen frischen Brots, freundlicherweise von Tanner dem Bäcker zur Verfügung gestellt, auftunkte, öffnete sich die Kellertür und der Doktor erschien.
    »Du hast etwas gekocht«, sagte er.
    »Ja«, antwortete ich und ließ bewusst das ehrende Wort weg.
    »Was hast du gekocht?«
    »Lamm.«
    »Lamm?«
    »Ja.«
    »Koteletts?«
    Ich nickte. »Und ein paar frische Erbsen und Möhren.«
    Ich trug meinen Teller zur Spüle. Ich konnte spüren, wie er mich beobachtete, als ich abwusch. Ich stellte Tasse und Teller zum Trocknen ins Gestell und drehte mich um. Er hatte sich nicht aus der Kellertür fortbewegt.
    »Brauchen Sie mich für irgendetwas?«, fragte ich.
    »Nein … nein, ich brauche dich nicht«, antwortete er.
    »Dann werde ich auf mein Zimmer gehen.«
    Er sagte nichts, während ich an ihm vorbeiging. Als ich den Fuß der Treppe erreicht hatte, trat er um die Ecke und rief vom Ende der Diele aus: »Will Henry!«
    »Ja?«
    Er zögerte und sagte dann mit resignierter Stimme: »Schlaf gut, Will Henry.«
    Viel später, mit derselben nachtwandlerischen Sicherheit, die er schon in der Vergangenheit demonstriert hatte, mich genau in dem Moment aufzuschrecken, wo ich, nach stundenlangem Hinundherwerfen, gerade in den Schlaf glitt, fing der Doktor an, nach mir zu rufen, und seine Stimme war hoch und ätherisch, als sie meine kleine Freistatt durchdrang.
    »Will Henry! Will Henriiiii!«
    Zerschlagen vom kurzen Nippen an des Schlafes süßem Saft rutschte ich mit einem ergebenen Seufzer aus dem Bett. Ich kannte diesen Ton; ich hatte ihn schon viele Male vorher gehört. Ich krabbelte die Leiter hinunter in den ersten Stock.
    »Will Henry! Will Henriiiii!«
    Ich fand ihn in seinem Zimmer, wo er vollständig bekleidet auf der Tagesdecke lag. Er erspähte meine Silhouette in der Tür und befahl mir mit einem ungeduldigen Ruck seinesHandgelenks einzutreten. Weil ich immer noch unter unserem Streit litt, kam ich nicht an sein Bett; ich machte einen Schritt in den Raum und blieb stehen.
    »Will Henry, was machst du?«, wollte er wissen.
    »Sie haben nach mir gerufen.«
    »Nicht jetzt, Will Henry. Was hast du da draußen gemacht?« Er fuchtelte mit der Hand in Richtung Diele, um da draußen zu veranschaulichen.
    »Ich war in meinem Zimmer, Sir.«
    »Nein, nein. Ich habe dich deutlich in der Küche poltern gehört.«
    »Ich war in meinem Zimmer«, wiederholte ich. »Vielleicht haben Sie eine Maus gehört.«
    »Eine Maus, die mit Töpfen und Pfannen klappert? Sag mir die Wahrheit, Will Henry. Du warst am Kochen.«
    »Ich sage die Wahrheit. Ich war in meinem Zimmer.«
    »Du deutest an, dass ich halluziniere.«
    »Nein, Sir.«
    »Ich weiß, was ich gehört habe.«
    »Ich werde nach unten gehen und nachsehen, Sir.«
    »Nein! Nein, bleib hier. Ich muss es mir eingebildet haben. Vielleicht habe ich geschlafen; ich weiß es nicht.«
    »Ja, Sir«, sagte ich. »Ist das alles, Sir?«
    »Ich bin nicht daran gewöhnt, wie du weißt.«
    Er verstummte und wartete darauf, dass ich die auf der Hand liegende Frage stellte, aber ich war ein müder Schauspieler in diesem müden Schauspiel: Er war in eine seiner häufigen düsteren Stimmungen verfallen, in denen seine Psyche vom zermalmenden Druck seiner besonderen Neigungen überwältigt wurde. Meine Rolle war fest umrissen, und für gewöhnlich spielte ich sie mit allem Schneid, den ich aufbringen konnte, aber die Ereignisse der letzten paar Tage hatten meine Gemütsverfassung

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