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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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Malachis Bestem gewesen, zu sehen, was im Keller des Monstrumologen hing. Der muskulöse O’Brian schickte sich an, ihnen nach draußen zu folgen, aber Morgan befahl ihm, bei uns zu bleiben, also blieb er in der Tür stehen und schien nicht besonders glücklich darüber; er warf mir quer durchs Zimmer finstere Blicke zu, als wäre ich in irgendeiner Form für die blutige Wendung der Ereignisse verantwortlich. Möglicherweise war ich das zum Teil, und in jenem Moment kam es mir bestimmt so vor. Die Schuld des Doktors warf einen langen Schatten, und obwohl ich ihn in der Nacht unserer wilden Flucht vom Friedhof zur Rede gestellt hatte, hatte ich den Bogen nicht bis zum Äußersten gespannt. Schließlich hatte der Doktor mich nicht auf meinem Zimmer eingesperrt oder an einen Pfosten gekettet. Ich hätte in dieser Nacht schnurstracks zum Wachtmeister laufen und Alarm schlagen können und tat es nicht. Die mildernden Umstände – mein Alter, mein dienstbarer Status, meine Reverenzen an den überlegenen Intellekt des Doktors und die Reife seines Urteilsvermögens – schienen gegenstandslos angesichts Malachis Schmerzes, seines unsagbaren Verlusts.
    Als ich meinen durch Kummer für seine und – ich gestehe –meine eigene Misere umwölkten Blick nach oben richtete, machte ich O’Brian aus, der wütend auf mich herabstarrte, die Oberlippe zu einem höhnischen Zähnefletschen verzerrt.
    »Ich hoffe, dafür hängt er«, sagte er.
    Ich sah weg, in Malachis Augen, die rotgerändert und weit offen waren. Er flüsterte: »Hast du es auch gewusst?«
    Ich nickte. Lügen, hatte der Doktor mich gelehrt, war die schlimmste Art des Possenreißens.
    »Ja.«
    Es kam mir wie Stunden vor, bis sie wieder aus dem Keller zurückkamen, aber es konnten nicht mehr als ein paar Minuten gewesen sein. Aus Morgans eulenhaftem Gesicht war alle Farbe gewichen, und seine Lokomotion zu dem Sessel, in den er sich vorsichtig sinken ließ, erinnerte an die steifen und ungelenken Bewegungen eines an einer Kriegsneurose leidenden Soldaten. Mit zitternden Fingern ergriff er seine Pfeife, und es brauchte zwei Versuche, ehe sie brannte. Auch Warthrop, der sich erst vor so Kurzem am Rande des schwarzen Abgrunds des Todes bewegt hatte, wirkte mitgenommen und wie betäubt, und die runde, blutverkrustete Stirnwunde, die sich in einem Zoll Höhe genau zwischen den Augen befand, sah wie das Kainsmal aus.
    »Will Henry«, sagte er leise. »Bring Malachi nach oben in eins der Gästezimmer.«
    »Ja, Sir«, antwortete ich sofort. Ich half Malachi auf die Füße, indem ich seinen Arm über meine Schulter zog, während er sich an mich lehnte, und gemeinsam schlurften wir aus dem Raum, wobei meine Knie unter seinem Gewicht fast nachgaben; er war einen guten Kopf größer als ich. Ich schleppte ihn die Treppe hoch ins nächste Schlafzimmer, das Zimmer, in dem der nackte Leichnam Alistair Warthrops fünf Jahre zuvor gefunden worden war. Vorsichtig manövrierte ich ihn auf die Matratze, wo er sich, wie der Vater des Monstrumologen, zu einem kläglichen Ball zusammenrollte, bis er mit den Knienfast das Kinn berührte. Ich machte die Tür zu und ließ mich in den Sessel neben dem Bett fallen, um wieder zu Atem zu kommen.
    »Ich hätte nicht herkommen sollen«, sagte er.
    Meine Antwort auf diese naheliegende Beobachtung war ein Nicken.
    »Er hat mir angeboten, mich mit zu sich nach Hause zu nehmen«, sprach er weiter, wobei er sich auf Morgan bezog. »Denn ich habe keinen Ort mehr, wo ich hinkönnte.«
    »Du hast sonst keine Familie?«
    »Meine ganze Familie ist tot.«
    Ich nickte noch einmal. »Es tut mir leid, Malachi.«
    »Du machst alles für ihn, stimmt’s? Sogar das Entschuldigen.«
    »Es war nicht seine Absicht, dass das passiert.«
    »Er hat nichts unternommen. Er hat es gewusst , und er hat nichts unternommen. Wieso verteidigst du ihn, Will Henry? Was ist er für dich?«
    »Das ist es nicht. Es ist das, was ich für ihn bin.«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich bin sein Assistent«, sagte ich nicht ohne einen Anflug von Stolz. »Genau wie mein Vater. Nachdem er … nach dem Feuer nahm der Doktor mich auf.«
    »Er adoptierte dich?«
    »Er nahm mich auf.«
    »Weshalb tat er das? Weshalb nahm er dich auf?«
    »Weil sonst niemand da war.«
    »Nein«, sagte er. »Das habe ich nicht gemeint. Weshalb hat er sich dazu entschlossen , dich aufzunehmen?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich, ein bisschen betroffen. Diese Frage war mir noch nie in den Sinn gekommen. »Ich habe

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