Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Titel: Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey

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von einem anderen Angehörigen des Personals mit derselben zum Aussterben verurteilten Einstellung wie der des Portiers entgegengenommen – ein Gin und Bitter für Blackwood und ein Kännchen Darjeeling für den Doktor.
    Unser Kellner wandte sich an mich, und plötzlich konnte ich keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich war durstig,und ein Glas Wasser wäre hochwillkommen gewesen, aber wie Blackwood war auch ich ein bisschen eingeschüchtert durch die Umgebung und die kaum verhohlene Verachtung des Personals. Warthrop rettete mich, indem er dem Kellner etwas ins Ohr flüsterte. Mit einem Schritt, der so gesetzt und gemessen wie der eines Leichenbestatters war, schwebte der Mann schweigend hinaus.
    Ein paar Augenblicke später kehrte er mit unseren Getränken wieder und stellte ein hohes, klares Glas vor mir ab, in dem eine karamellfarbene Flüssigkeit brodelte. Ich beäugte mein Getränk unschlüssig – wieso sollte jemand ein kochendes Getränk in einem Glas servieren? –, und der Doktor, dem nichts entging, lächelte leise und sagte: »Probier es, Will Henry.«
    Zögernd nippte ich daran. Mein folgendes Entzücken muss offenkundig gewesen sein, denn Warthrops Lächeln wurde breiter, und er sagte: »Ich dachte mir, dass du es mögen würdest. Es heißt Coca-Cola. Erfunden von einem Bekannten von mir, einem Gentleman namens Pemberton. Nicht wirklich mein Geschmack. Zu süß, und der Einschluss von Kohlensäure ist eine unerklärliche und nicht ganz und gar angenehme Beimengung.«
    »Kohlensäure, sagen Sie?«, fragte Blackwood. »Kann man die gefahrlos trinken?«
    Warthrop zuckte die Achseln. »Wir werden Will Henry gründlich auf negative Auswirkungen hin beobachten. Wie fühlst du dich, Will Henry?«
    Ich sagte ihm, dass ich mich sehr gut fühle, denn mit der Hälfte des sprudelnden Gebräus in mir fühlte ich mich in der Tat sehr gut.
    Blackwoods graue Augen huschten hin und her; seine Hände bewegten sich unablässig in seinem Schoß. Er wartete darauf, dass Warthrop die Initiative ergriff. Der bedeutende Wissenschaftler hatte ihm bislang noch nie die kleinste Beachtung geschenkt, und jetzt saß er ihm hier gegenüber im exklusivsten Club New Yorks. Es war ein Wunder – und ein Rätsel.
    »Blackwood, ich brauche Ihre Hilfe«, sagte der Monstrumologe.
    Die Augen des Engländers weiteten sich bei diesem Bekenntnis. Es war offenbar das Letzte, womit er aus dem Munde Warthrops gerechnet hatte.
    »Dr. Warthrop – Sir –, Sie wissen, dass ich nur die tiefste Bewunderung und den größten Respekt für Sie und Ihre wichtige Arbeit –«
    »Ersparen Sie mir das speichelleckerische Geschwafel, Blackwood. Während der vergangenen zwei Jahre haben Sie jeden Schritt von mir verfolgt, wozu, kann ich nur vermuten, doch nehme ich an, dass es mehr mit Skandal und Klatsch als mit Bewunderung und Respekt zu tun hat.«
    »Ach, Sie verletzen mich, Doktor. Sie verurteilen mich vorschnell! Mein Interesse geht weit über die Erforderlichkeiten meines Berufs hinaus. Ihre Arbeit kommt meiner wahren Leidenschaft so nahe: dem Universum, das unter – oder in , sollte ich sagen – dem verborgenen Universum menschlichen Bewusstseins liegt, dem metaphorischen Äquivalent, wenn Sie so wollen, des Monstrumariums Ihrer Gesellschaft.«
    »Henry, ich interessiere mich nicht für Ihre Theorien des Bewusstseins oder des ›Universums darin‹. Mein Interesse ist weit praktischerer Natur.«
    »Aber nur indem wir uns selbst über das Gewöhnliche hinausbegeben, können wir in die unentdeckten Länder unseres grenzenlosen Potenzials reisen!«
    »Sie werden mir meinen mangelnden Enthusiasmus verzeihen«, erwiderte der Doktor. »Ich hatte unlängst genug an unentdeckten Ländern.«
    »Die letztendliche Wahrheit liegt nicht in der Wissenschaft«, fuhr der Hobbyphilosoph unbeirrt fort. »Sie liegt in den unergründeten Tiefen des menschlichen Bewusstseins – nicht im Natürlichen, sondern, in Ermangelung eines besseren Wortes, dem Über natürlichen.«
    Warthrop lachte. »Ich muss Sie unbedingt mit von Helrungbekannt machen. Ich glaube, Sie beide würden sich prächtig verstehen.«
    Dann kam der Monstrumologe zum Geschäftlichen. Er beugte sich vor, winkte sein erhitztes Gegenüber mit dem Finger näher heran und raunte ihm verschwörerisch zu: »Henry, ich habe Ihnen einen Vorschlag zu machen. Ich brauche jemanden, der für mich in der morgigen Zeitung eine Geschichte lanciert. Sie ist skandalös, sie ist schmutzig, und es ist eine der