Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

legen. Und das Licht ist golden rings um sie.
    Der Doktor schrie in seinem Zimmer unten, und ich fuhr auf und schnappte wie ein Ertrinkender, der die Wasseroberfläche durchbricht, nach Luft. Ich machte mich daran, die Leiter hinabzusteigen, denn seine Schreie waren laut und verzweifelt und nicht völlig unerwartet, aber auf der untersten Sprosse hielt ich inne, denn er verlangte nicht nach mir. Er rief zwar jemandes Namen, aber es war nicht meiner.

VIER
    »Er war mein bester Freund, und wie ich ihn hasste!«

    Am folgenden Morgen brachen wir zu unserer Stegreifrettungsmission auf – zu einem Ort, der jetzt von der Erde verschwunden ist.
    Siebzehn Jahre nach unserer Expedition zu diesem wilden Außenposten an Kanadas westlicher Grenze verschmolz der Ort Rat Portage mit zwei Schwestersiedlungen namens Keewatin und Norman, die dem neuen Zusammenschluss jeweils die ersten beiden Buchstaben ihres Namens liehen: Ke-No-Ra. Die Veränderung wurde bewirkt durch die Weigerung der Maple Leaf Flour Company, einem Mehlproduzenten, in Rat Portage zu bauen, da sie befürchtete, das Wort »rat« (»Ratte«) auf ihren Mehlsäcken könnte den Absatz mindern.
    Die Gegend um das heutige Kenora, am Nordufer des Lake of the Woods nahe der Grenze von Ontario und Manitoba gelegen, war in der Sprache der Eingeborenen als Wauzushk Onigum bekannt – wörtlich die »Portage zum Land der Bisamratte«, wovon Rat Portage seinen Namen ableitete. Heute ist die Stadt ein Mekka für Sportler; 1888 galt das Interesse ihrer Besucher etwas völlig anderem. Zehn Jahre zuvor war Gold entdeckt worden, woraufhin aus dem verträumten kleinen Dorf in kürzester Zeit eine pulsierende Stadt von Betrügern und Spekulanten, blauäugigen Glücksrittern und Desperados jeder Sorte wurde, mit hier und da einem Lump, Straßenräuber und Mörder im Gemisch. Selbst die Schönen der Nacht, hieß es, wagten sich nicht unbewaffnet auf die Plankenwege.
    Dennoch, Gott sei Dank für das Gold! Denn wäre es nicht entdeckt worden, hätte unsere Reise an den Rand der unermesslichen kanadischen Wildnis Wochen gedauert. So jedoch hatte das Gold zum Zeitpunkt unserer Expedition Rat Portage in ein bedeutendes Vertriebs- und Versorgungszentrum der Canadian Pacific Railway verwandelt. Unsere Reise dauerte nur drei Tage, und die wurden in Luxus an Bord eines gut ausgestatteten Pullmanwagens verbracht.
    Der Doktor, da er mit endlosen Strapazen am Ende der Reise rechnete, schonte während der Reise selbst das Angebot an Komfort nicht. Drei ausgiebige Mahlzeiten jeden Tag, eine Kanne Tee und eine Platte mit Teilchen am Nachmittag und dazwischen Konfekt und Pfefferminzbonbons und alles an gesalzenen Erdnüssen, was er essen konnte, und Warthrop konnte eine ganze Menge davon essen. Er schlief fester, als ich es in der Harrington Lane je erlebt hatte. Tatsächlich hielt mich die in den Zähnen schmerzende Resonanz seines Schnarchens nachts meist bis zu gottloser Stunde wach.
    Aber ich hatte kaum etwas dagegen. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich die Grenzen der idyllischen, ländlichen Gegend Massachusetts auf einer wundersam verheißungsvollen Abenteuerreise hinter mir gelassen. Welcher Junge meines Alters träumte nicht davon, dem sorgfältig gepflegten Rasen und dem Lampenlicht der Straße zu entfliehen und sie gegen die ungezähmte Wildnis einzutauschen, wo auf der anderen Seite des Horizonts großartige Wagnisse warteten, wo die Sterne ungetrübt am samtenen Himmel über seinem Kopf brannten und die jungfräuliche Erde unberührt unter seinen Füßen lag? Mit der dreifachen Dringlichkeit von Tausend »Mach fix!« riefen sie mir zu in einer Sprache, die von keines Menschen Zunge gesprochen, aber von jedes Menschen Herzen verstanden wurde. Sie machten alle Dinge erträglich, selbst das Insistieren des Monstrumologen, dass wir uns jeden Abend zum Dinner anzogen, und die zahllosen Kleckse Philocome, die er in dem vergeblichen Bemühen, meine zahlreichen Haarwirbel anzuklatschen, auf meine Haare auftrug.
    Es war das erste Mal, dass ich erlebte, dass er auch nur die geringste Sorgfalt auf sein Äußeres verwendete. Noch bis zu diesem Tag, da er seit mehr als vierzig Jahren im Grab liegt, sehe ich den Monstrumologen, wenn ich ihn mir vorstelle, in jenem zerlumpten alten Kittel, der mit dem Blut und den getrockneten Viscera seiner neuesten »Kuriosität« beschmiert ist, die Haare in stürmischer Verwirrung verwirbelt, die Wangen übersät mit drei Tage alten Stoppeln, die Nägel rissig