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Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Titel: Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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Höhe zu sein, nicht ganz er selbst. Mehr wollte er nicht erzählen. Falls Sie ihn nicht finden können, würde ich sagen, er ist wieder in den Wäldern, vielleicht oben am Sandy Lake, aber er wird schon wieder zurückkommen. Er kommt immer zurück.«
    »Er hat Familie?«
    »Nicht dass ich wüsste. Er kommt zurück, um zu trinken und zu spielen. Wobei mir gerade einfällt, wenn Sie ihn sehen, sagen Sie ihm, ich habe nicht vergessen, dass er mir noch Geld schuldet.«
    Von den Ladenbesitzern entlang der Hauptstraße zu den Dockarbeitern am Kai, von den Spielhallen und überfülltenbilligen Bierspelunken, von den Büros der Hudson’s Bay Company zu dem ohrenbetäubenden Inneren von Sägemühlen, die in herumwirbelnden Holzspänen erstickten, es schien, als würde die ganze Stadt Pierre Larose kennen oder wenigstens über ihn Bescheid wissen, aber wo er stecken mochte, wusste keiner. Alle waren sich einig, dass er eine Zeit lang nicht gesehen worden war, und bei allen, schien es, stand er in dieser oder jener Schuld. Die übereinstimmende Meinung war, dass er entweder die Zelte abgebrochen hatte und ins heimatliche Quebec zurückgekehrt oder in die Wildnis geflohen war, um seinen gewaltigen Schulden zu entkommen. Die wenigen, die behaupteten, ihn um die Zeit herum, als er den Brief an Muriel Chanler aufgegeben hatte, gesehen zu haben, raunten von einem Mann, der den Verstand verloren hatte, der durch die Straßen gewankt war, verloren in einem betrunkenen Nebel, »fauchend und mit Schaum vor dem Mund wie ein tollwütiger Hund«, der sich auf die Ohren schlug, bis sie bluteten, der wimmerte und ächzte und unaufhörlich etwas über eine Stimme murmelte, die anscheinend nur er hören konnte.
    Davor war Chanler mit Larose beim größten Ausrüstungsladen in der Hauptstraße gesehen worden. (Der Angestellte konnte mit Warthrops Beschreibung seines Kollegen etwas anfangen.) Chanler hatte für ihre Vorräte bezahlt – Munition, ein Zelt, Bettzeug und dergleichen –, und als sie gefragt worden waren, auf welches Wild sie gingen, hatte Larose gezwinkert und ausweichend geantwortet: »Wir sind hinter dem Alten der Wälder her.«
    Jetzt kicherte der Angestellte und fügte hinzu: »Ich wusste, was er damit meinte, und tatsächlich fragt er gleich darauf, ob wir Silberkugeln haben! ›Wozu brauchen Sie Silberkugeln?‹, frag ich, aber ich weiß, weshalb er fragt. … Sagen Sie, dieser Chanler – ist das der, nach dem sie vor ein paar Wochen gesucht haben? Ein ganzer Trupp der NWMP kam hier durch auf der Suche nach irgend ’nem großen Tier, das sich in den Wäldern verirrt hat, erinner ich mich.«
    Draußen auf dem Plankenweg schüttelte Warthrop reumütig den Kopf.
    »Ich bin ein Narr, Will Henry. Die NWMP ist der erste Ort, wo wir hätten fragen sollen.«
    Von einem Mann, der vor der Schmiede herumlungerte, erhielt er die Wegbeschreibung, und wir stürmten, Zugpferden und Kutschen ausweichend, über die staubige Hauptverkehrsstraße auf die andere Seite, wo die langen Schatten des Spätnachmittags lagen. Wir sprangen über die dampfenden Pferdemisthügel und schlüpften durch eine kleine Gruppe von Bergmännern, die vor dem Wirtshaus standen, frisch eingetroffen in der Stadt von ihren unterirdischen Grabungen, die Gesichter schwarz wie Schauspieler in einer Minstrelvorführung, das Weiße in den Augen verblüffend hell, jeder einen Revolver um die Taille geschnallt. Aus der geöffneten Tür schwebte blecherne Musik auf die Straße, schwach und erdentrückt, entnervend fröhlich, plötzlich unterbrochen von etwas, was für meine ängstlichen Ohren wie ein Schuss klang, nur um unter rauem Gelächter wieder einzusetzen.
    Wir zogen die Köpfe ein und betraten die Büroräume der North-West Mounted Police, der Vorläuferin der Königlich-Kanadischen Mounties. Ein strammer junger Unteroffizier in schneidiger roter Uniform erhob sich hinter seinem Schreibtisch.
    »Kann ich Ihnen behilflich sein, Gentlemen?«
    »Das hoffe ich aufrichtig«, erwiderte der Doktor. »Ich bin auf der Suche nach einem Amerikaner namens Dr. John Chanler. Man sagte mir, Sie seien von seinem Verschwinden in Kenntnis gesetzt worden.«
    Der Sergeant nickte und kniff die Augen leicht zusammen. »Sind Sie ein Freund von Dr. Chanler?«
    »Das bin ich. Seine Frau bat mich, Nachforschungen in der Angelegenheit anzustellen.«
    »Nun«, sagte der Mann mit einem achtlosen Zucken seiner breiten Schultern, »es steht Ihnen frei nachzuforschen, Mr. –«
    » Doktor

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