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Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Titel: Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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nehme an, wir könnten einen schwachen Trost aus der Tatsache ziehen, dass wir nicht die Einzigen waren, die man zum Narren gehalten hat. Arkwright hat uns an der Nase herumgeführt, aber die Russen haben dasselbe mit ihm gemacht, und John Kearns, denke ich, hat seinen Spaß mit uns allen gehabt.«
    »Jacob hatte die Theorie, dass Kearns und die Briten – und auch die Russen – uns benutzten, um für sie die Heimat des Magnificums ausfindig zu machen. Sie hatten das goldene Ei – den Nidus  –, aber nicht die Gans, die es legt. So hat Torrance es formuliert.«
    Warthrop lächelte verkniffen. »Ich werde Jake vermissen. Er hatte ein Händchen für farbenfrohe Metaphern. Zum Teil lag er richtig, aber größtenteils falsch. Benutzt wurden wir tatsächlich, allerdings nicht von Kearns oder den Russen; die hatten, was sie wollten. Thomas Arkwright von den Long-Island-Arkwrights war eine durch und durch britische Schöpfung. Arkwright ist Offizier beim britischen Geheimdienst.«
    Von Helrung seufzte. »Also haben die Briten die Finger im Spiel … und die Russen. Wer sonst noch?«
    »Niemand – na ja, uns nicht mitgezählt, obwohl ich uns noch nicht auszählen würde«, sagte Warthrop grimmig. »Ich wollte es zuerst nicht glauben. Als ich nach Hanwell gebracht wurde, kam es meinem naiven Vertrauen gelegen zu glauben, dass Arkwright mit den Russen zusammengearbeitet haben musste – ein Doppelagent, ein Verräter an seinem Land –, und an dieses Stück Fiktion klammerte ich mich eine ganze Zeit lang tapfer. Im ersten Monat meines irren Urlaubs schrieb ich mehr als vierzig Briefe, von denen anscheinend keiner seinen geplanten Empfänger erreichte. Jemand muss sie abgefangen haben, und es fällt mir schwer nachzuvollziehen, dass der Arm der Ochranka bis zur Post von England oder den Vereinigten Staaten reicht. Sechs dieser verzweifelten Sendschreiben übergab ich persönlich dem Leiter der Anstalt. Nun, ich nehme an, er könnte im Dienste des Zaren stehen oder ein Mitglied der Ochranka sein, aber eskommt ein Punkt, da müssen wir die Kindereien beiseitetun, Meister Abram, und anerkennen, dass es, in Angelegenheiten, wo etwas wie das Magnificum betroffen ist, Grenzen für die Perfidie von Menschen und Nationen gibt – selbst Menschen wie dem Anstaltsleiter und Nationen wie Großbritannien.«
    »Ach, lieber Pellinore, ich habe sehr lange gelebt und doch noch keine einzige erkannt!«
    Wir kamen zum Stillstand, und der Kutscher rief mit lauter Stimme aus: »Da wär’n ma, Meister! Piccadilly Circus!«
    »Das Great Western am Paddington-Bahnhof, Kutscher! Und hurtig bitte!«, rief Warthrop. Er lächelte über die gedämpften Flüche des Kutschers, als wir uns wieder in Bewegung setzten zu dem Ort, wo wir angefangen hatten.
    »Wir bewegen uns im Kreis«, bemerkte von Helrung.
    »Das taten wir«, erwiderte der Doktor. »Aber für heute Abend reicht es! Denn an diesem Abend, mein alter Meister, finden die Monate in der Wildnis ein Ende. Unser langes Exil ist vorbei. Ich habe die Antwort; ich weiß, woher der Wind weht; ich habe das Versteck des Grals gefunden.«

Fünfundzwanzig
    »Dvipa Sukhadhara«

    Mit schmerzgequälter Miene wandte sich von Helrung von seinem Freund ab. »Sie sollten es nicht so nennen.«
    »Warum?«, fragte der Monstrumologe ehrlich verwirrt.
    »Es sollte nicht so genannt werden!«, insistierte der alte Mann heftig. Aus seinem Augenwinkel quoll eine Träne hervor.
    »Wo ist es?«, fragte ich. »Woher ist der Nidus gekommen?« Die zentrale Frage war zu lange unbeantwortet geblieben.
    Warthrops Gesicht glühte vor Siegesfreude. »Der Nidus ex magnificum wurde auf der Insel Sokotra entdeckt.«
    Von Helrung sah sich um und starrte den Doktor einen langen Moment lang an. »Sokotra!«, flüsterte er. »Die Insel des Blutes!«
    »Die Insel des Blutes?«, echote ich. Ich konnte spüren, wie das fest zusammengewickelte Ding im Rhythmus meines Herzens vibrierte.
    »Es ist nicht, was du denkst, Will Henry«, sagte der Monstrumologe. »Man nennt es die Insel des Blutes, weil das zufällig die Farbe des Saftes des Drachenblutbaums ist, der dort wächst – die Farbe von Blut. Sokotra hat auch andere Namen – bessere Namen, falls Namen für dich wichtig sind: Insel des Entzückens, Insel des Phönix, Insel der Ruhe, um nur einige zu nennen. Auf Sanskrit heißt sie Dvipa Sukhadhara , die Insel der Glückseligkeit. Unlängst ist sie das Galapagos des Ostens tituliert worden, denn die Insel liegt so

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