Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes
Wahnsinnigen allgemein ist. Er umarmte Warthrop, als wäre er ein lange verschollener Freund, und fragte ihn, wie ihm sein Spiel gefallen habe. Der Doktor entgegnete, dass ein Musiker seines Formats ein besseres Instrument verdiente, und Bartolomeo schlang die Arme um ihn und küsste ihn rührselig auf die Wange.
Der Monstrumologe erläuterte unsere missliche Lage und seine Idee, sie zu überwinden. Bartolomeo nahm den Plan mit der gleichen Begeisterung an, die er gerade noch dem Doktor angedeihen lassen hatte, machte sich jedoch Sorgen, dass ihre unterschiedliche Größe ein Problem darstellen könnte.
»Wir werden das Licht hier drin ausmachen«, sagte Warthrop. »Und Veronica wird sich zwischen Ihnen und der Straße positionieren. Der Mummenschanz wird nicht perfekt sein, dürfte uns aber die Zeit verschaffen, die wir brauchen.«
Der Doktor zog sich ins Schlafzimmer zurück, um sich zu entkleiden; Bartolomeo zog sich direkt aus, wo er stand, und lächelte dabei die ganze Zeit, amüsiert womöglich über meine Verwunderung ob seines entschieden unviktorianischen Mangels an Sittsamkeit.
Die Schlafzimmertür öffnete sich, und Veronica erschien mit den Kleidern des Doktors, lärmte auf Italienisch auf ihren Ehemann ein, ging ins Schlafzimmer zurück und knallte die Tür zu. »La signora è una tigre, ma lei è la mia tigre.« Die Kleider des Monstrumologen waren ihm zu groß – Bartolomeo war kein hochgewachsener Mann –, aber von der Straße aus, bei Nacht, bei matter Beleuchtung … Ich betete, dass der Doktor recht hatte.
Nach einigen weiteren Minuten öffnete sich die Schlafzimmertür erneut und Veronica kam heraus, gefolgt von einer anderen Frau – oder wenigstens einem frauenartigen Wesen, das Ähnlichkeit mit etwas aufwies, was in Mr P. T. Barnums Nebenvorstellung hätte unterkommen können und dasselbe verblasste rote Kleid trug, das nur wenige Momente zuvor noch die deutlich kurvenreichere Gestalt von Veronica Soranzo geschmückt hatte. Bei dieser grotesken Verspottung alles Weiblichen, von der hastig aufgetragenen Schminke bis hin zu den nackten Fersen des Doktors, die hinten über die Schuhe seiner Frau hinaushingen, brach Bartolomeo in schallendes Gelächter aus.
»Die Dame braucht, denke ich, eine Rasur«, hänselte er ihn.
»Dafür ist keine Zeit«, erwiderte Warthrop ernst. »Ich werde einen Hut brauchen.«
»Etwas mit Gold«, schlug Bartolomeo vor. »Um die Farbe Ihrer Augen zur Geltung zu bringen.«
Er hielt dem Doktor den Revolver hin, den er in der Jackentasche gefunden hatte.
»Geben Sie ihn Will Henry; ich habe keinen Platz dafür.«
»Wenn Sie eine kleinere Waffe trügen, könnten Sie sie in Ihr Strumpfband stecken.«
»Dein Mann gefällt mir«, sagte der Monstrumologe zu Veronica, während sie ihm einen breitkrempigen Hut auf den Kopf drückte.
»Er ist ein Idiot«, sagte sie, und Bartolomeo lachte. »Siehst du? Ich beleidige ihn, und er lacht.«
»Das macht einen guten Ehemann aus«, sagte Bartolomeo.
Veronica zischte etwas im Flüsterton, packte ihren Mann am Handgelenk und zerrte ihn zum Balkon.
»Du sagst nichts, verstanden? Du stehst an der Tür und senkst den Kopf und überlässt mir das Reden.«
»Ich dachte, du hättest gesagt, es würde Schauspielerei beinhalten.«
Sie spähte durch die Vorhänge nach unten auf die Straße. »Ich sehe diesen Mann nicht, den du beschreibst, Pellinore.«
»Er ist da«, versicherte Warthrop ihr, während er seinen Hut im Spiegel zurechtrückte.
Sie machte Anstalten hinauszugehen, blieb stehen, machte kehrt und ließ dann ihren Mann in seinen schlotterigen Kleidern, den Monstrumologen en miniature, stehen und kehrte an die Seite des Doktors zurück.
»Ich werde dich nie wiedersehen«, sagte sie.
»Das können wir nicht wissen.«
Sie schüttelte den Kopf. » Non si capisce. Du bist ein Idiot wie er. Alle Männer sind Idioten. Ich sage, ich werde dich nie wiedersehen. Komm nie wieder her! Dank dir werde ich jedes Mal, wenn ich meinen Mann sehe, den Mann sehen, der er nicht ist.«
Sie küsste ihn: die Liebe. Dann schlug sie ihn: der Hass. Bartolomeo beobachtete alles lächelnd. Was kümmerte es ihn? Warthrop mochte ihr Herz haben, aber er, Bartolomeo, hatte sie .
Sie gingen auf den Balkon. Ihre Stimme, die geübt darin war, über weite, freie Flächen zu tragen, ertönte und sagte: »Wie kannst du es wagen, jetzt hierher zurückzukommen, nach all den Jahren! Ich bin inzwischen verheiratet, mit Bartolomeo. Ich kann nicht
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