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Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Titel: Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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aufnehmen sollen. Das war nicht das, was wir uns beide wünschten. Ich hätte wissen müssen, dass daraus wenig Gutes erwachsen würde.«
    »Sagen Sie das nicht, Sir! Bitte sagen Sie das nicht!« Ichstreckte die verletzte Hand aus, um seinen Arm zu berühren, und zog sie dann wieder weg. Ich glaubte nicht, er würde es billigen, wenn ich ihn anfasste.
    »Aber nein«, meinte er. »Es ist eine unglückselige Angewohnheit von mir, Dinge zu sagen, die wahrscheinlich nicht gesagt werden sollten. Daraus kann wenig Gutes erwachsen, Will Henry; das ist mir schon seit geraumer Zeit klar. Was ich mache, wird mich eines Tages umbringen, und du wirst wieder verlassen sein. Oder schlimmer, was ich mache, wird eines Tages …«
    Sein Blick fiel auf meine linke Hand, und dann fuhr er fort. »Ich bin ein Philosoph in den Naturwissenschaften. Herzensangelegenheiten überlasse ich den Dichtern, aber es ist mir, selbst ein gescheiterter Dichter, in den Sinn gekommen, dass der grausamste Aspekt der Liebe ihre unantastbare Integrität ist. Wir beschließen nicht, zu lieben – oder sollte ich sagen, wir können nicht beschließen, nicht zu lieben. Verstehst du?«
    Er beugte sich ganz nah zu mir herüber, und meine Welt wurde zu dem dunklen Feuer, das in seinen Augen brannte. Schwindel übermannte mich, als schwankte ich direkt am Rand eines lichtlosen Abgrunds.
    »Ich will es so formulieren«, sagte er. »Wenn wir Monstrumologen es überhaupt ernst mit unserem Beruf nähmen, würden wir das Studium biologischer Anomalien aufgeben, um uns auf das schrecklichste Ungeheuer von allen zu konzentrieren.«
    * * *
    In meinem Traum stehe ich mit Adolphus Ainsworth im Monstrumarium vor dem Verschlossenen Raum, und er fummelt an seinen Schlüsseln herum.
    Der Doktor hat gesagt, du würdest das sehen wollen.
    Aber das darf ich doch nicht.
    Der Doktor hat’s gesagt.
    Er sperrt die Tür auf, und ich folge ihm hinein.
    T ja, schauen wir mal   … Wo habe ich ihn hingetan? Ah, ja! Da ist er!
    Er zieht einen Behälter von der Größe eines Schuhkartons aus seiner Nische und stellt ihn auf einen Tisch.
    Nur zu, mach ihn auf! Er wollte, dass du es siehst.
    Meine Finger beben. Der Deckel will nicht aufgehen. Zittert der Karton, oder ist das meine Hand?
    Ich kriege ihn nicht auf.
    In dem Karton ist etwas. Es lebt. Ich spüre seine Vibrationen an meinen Fingern.
    Dummer Junge! Du kriegst ihn nicht auf, weil du schläfst! Wenn du wissen willst, was in dem Karton ist, musst du aufwachen. Wach auf, Will Henry, wach auf!
    Ich tat wie befohlen und durchbrach mit einem überraschten Aufschrei die Oberfläche zwischen meinem Traum und dem dunklen Zimmer, wobei mein Herz vor Panik raste; denn einen Moment lang konnte ich mich nicht erinnern, wo ich war – konnte mich nicht erinnern, wer ich war … bis eine Stimme neben dem Bett mir auf die Sprünge half.
    »Will Henry.«
    »Dr. Warthrop?«
    »Du hast geträumt, glaube ich.«
    »Ja … das habe ich.«
    Das Licht im Flur war an; es war das einzige Licht. Es strömte über den Boden und die Wand neben dem Bett hoch. Der Monstrumologe stand auf der Seite gegenüber dem Licht.
    »Was hast du geträumt?«, fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich – ich kann mich nicht erinnern.«
    »›Zwischen dem Schlafen und dem Wachen ist es da … Zwischen dem Aufstehen und dem Hinlegen ist es da … Es ist immer da.‹«
    Da war der Lichtstreifen auf dem Boden und die Lichtsäule an der Wand, aber der Streifen und die Säule vergossen ihre Substanz ins Zimmer; ich konnte sein Gesicht undeutlich sehen, aber ich konnte nicht in seinen Augen lesen.
    »Ist das aus einem Gedicht?«, fragte ich.
    »Aus dem sehr anämischen Versuch eines solchen, ja.«
    »Sie haben es geschrieben, stimmt’s?«
    Seine Hand hob sich, fiel herab.
    »Wie geht es deiner Hand?«
    »Sie tut nicht weh.«
    »Will Henry!«, schalt er mich sanft.
    »Manchmal pocht sie ein bisschen.«
    »Du musst sie über deinem Herzen halten.«
    Ich versuchte es. »Ja, Sir. Das hilft tatsächlich. Danke sehr.«
    »Spürst du es noch? Als ob der Finger noch da wäre?«
    »Manchmal.«
    »Ich hatte keine Wahl.«
    »Ich weiß.«
    »Das Risiko war … inakzeptabel.«
    Er setzte sich auf die Bettkante. Mehr Licht fiel auf sein Gesicht, sonst wurde nichts weiter beleuchtet. Weshalb hatte er im Dunkeln gestanden und mich beobachtet?
    »Du weißt das natürlich nicht. Aber später nahm ich das Seil und wollte dich festbinden – nur vorsichtshalber …«
    Ich öffnete den

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