Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Titel: Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
Vom Netzwerk:
sein Schatten an der Wand gehangen hatte.
    »Unsere Vorfahren brauchten über zwei Monate, um den Atlantik zu überqueren, zwei Monate voller Entbehrung undKrankheiten: Skorbut, Ruhr, Dehydrierung. Für uns wird es weniger als eine Woche dauern, und die in fürstlicher Pracht. Die Welt schrumpft, Will Henry, und nicht durch ein Wunder, es sei denn, wir ändern unsere Definition dessen, was ein Wunder ausmacht.«
    Sein Blick war verschleiert gewesen, seine Stimme wehmütig. »Die Welt wird kleiner, und Stück für Stück vertreibt das Licht unserer Lampen die Schatten. Eines Tages wird alles erleuchtet sein, und wir werden mit einer neuen Frage aufwachen: ›Ja, dies , doch nun … was ?‹ Er lachte leise. »Vielleicht sollten wir umkehren und heimgehen.«
    »Sir?«
    »Es wird ein zukunftsweisender Moment in der Geschichte der Wissenschaft sein, der Fund des Magnificums , und nicht ohne einen gewissen Nebennutzen für mich selbst. Wenn ich Erfolg habe, wird es mir nichts weniger als die Unsterblichkeit einbringen – na ja, das einzige Konzept der Unsterblichkeit, das ich bereit bin zu akzeptieren. Aber wenn ich tatsächlich Erfolg habe, wird der Raum zwischen uns und dem Unbeschreiblichen noch ein bisschen mehr schrumpfen. Es ist das, wonach wir als Wissenschaftler streben und was wir als Menschen fürchten. Es ist etwas in uns, das sich nach dem Unsagbaren, dem Unerreichbaren, dem Ding, das nicht zu sehen ist, sehnt.«
    Und dann verfiel er in Schweigen.
    * * *
    Und am nächsten Morgen war er fort.
    Etwas war nicht in Ordnung; ich wusste es in dem Moment, als ich wach wurde. Ich verstand sofort – nicht im trivialen Sinn, nicht intellektuell, sondern mit dem Herzen. Nichts hatte sich verändert. Da war das Bett, in dem ich lag, und der Sessel, in dem er gesessen hatte, als er mich beobachtet hatte, und die große Frisierkommode und der Schrank und sogar seine Teetasse. Nichts hatte sich verändert; alles hatte sich verändert. Ich sprangaus dem Bett und rannte durch den Flur ins leere Wohnzimmer. Nichts hatte sich verändert; alles hatte sich verändert. Ich trat zu den Fenstern hinüber und zog die Vorhänge zurück. Acht Stockwerke tiefer glitzerte der Central Park, eine weiße Landschaft, die im Sonnenlicht unter einem wolkenlosen Himmel strahlte.
    Sein Koffer. Seine Reisetasche. Seine Instrumententasche. Ich rannte zum Wandschrank und riss die Tür auf. Leer.
    Alles hatte sich verändert.
    * * *
    Ich zog mich gerade an, als das Klopfen kam. Ich wäre schon angezogen gewesen, aber ich hatte Schwierigkeiten mit den Knöpfen an meiner Hose. Es war mir nie klar gewesen, wie hilfreich mein Finger bei der Prozedur gewesen war. Einen irrationalen Moment lang war ich mir sicher, der Doktor wäre zurückgekehrt, um mich zu holen.
    Ah, gut. Du bist auf! Ich war unten zum Frühstücken, bevor wir an Bord gehen. Was ist los, Will Henry? Hast du wirklich gedacht, ich würde ohne dich abreisen?
    Oder, was wahrscheinlicher war:
    Mach fix, Will Henry! Was zum Teufel treibst du da? Wieso steht dein Hosenstall offen? Komm mit, Will Henry. Ich werde nicht die wichtigste Überfahrt meines Lebens verpassen, weil ein Dreizehnjähriger nicht in der Lage ist, sich anzuziehen! Mach fix, Will Henry, mach fix!
    Es war jedoch nicht der Doktor. Zu diesem Schluss sind Sie mittlerweile gekommen.
    » Guten Morgen, Will! Es tut mir leid, dass ich so spät dran bin, aber mein Wagen hat eine Achse verloren, und mein Kutscher – er ist ein Dummkopf. Wenn er allein gewesen wäre, hätte er sie wahrscheinlich im Fundbüro gesucht. Ich würde ihn ja feuern, aber er hat eine Familie, die dummerweise Teil meiner Familie ist, weil er ein Vetter dritten oder vierten Grades ist, ich kann mich nicht erinnern …«
    »Wo ist Dr. Warthrop?«, wollte ich wissen.
    »Wo Warthrop ist? Wie, hat er es dir nicht gesagt? Bestimmt hat er es dir gesagt!«
    Ich schnappte mir meinen Mantel und meinen dicken Schal vom Kleiderständer und den Hut, den er mir geschenkt hatte – das Einzige, was er mir je geschenkt hatte.
    »Bringen Sie mich zu ihm!«
    »Das kann ich nicht, Will.«
    »Ich werde mit dem Doktor gehen!«
    »Er ist nicht hier …«
    »Ich weiß, dass er nicht hier ist! Deshalb bringen Sie mich jetzt zu ihm!«
    »Nein, nein, er ist nicht hier , Will. Sein Schiff hat vor einer Stunde abgelegt.«
    Ich stierte in von Helrungs freundliches Gesicht hinauf, und dann schlug ich ihm so fest ich konnte in den runden Bauch. Der Schlag entlockte ihm ein leises

Weitere Kostenlose Bücher