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Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Titel: Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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Garten machen würde, aber er hat wieder abgelehnt.«
    »Hat er heute Morgen sein Frühstück zu sich genommen?«
    »Sir, er hat es mir an den Kopf geschleudert.«
    »Er hat also heute wieder seine fünf Minuten.«
    »Ja, Sir, und zwar fünf der schlechteren.«
    »Vielleicht werden seine Besucher seine Stimmung aufhellen. Bitte sagen Sie ihm Bescheid. Wir werden jeden Augenblick oben sein.« Er wandte sich uns zu. »Letzte Woche hat Mr Henry einen Hungerstreik beendet – den dritten, seit er nach Hanwell kam. ›Ich würde mit Freuden sterben‹, sagte er mir. ›Aber ich will verdammt sein, wenn ich Ihnen diese Genugtuung gebe!‹ Ich muss sagen, Dr. Walker, Ihr Patient hat eine hoch komplexe Wahnvorstellung entwickelt, die detailreichste und komplizierteste, die mir je untergekommen ist. Einen ›Philosophen in der Naturwissenschaft der anomalen Biologie‹ nennt er sich, einen Monstrumologen, einen von einigen Hundert anderen auf der Welt, die sich dem Studium und der Ausrottung gewisser böswilliger Spezies widmen, für die er der führende Experte zu sein behauptet. Er behauptet, einer ›Gesellschaft‹ dieser sogenannten Monstrumologen anzugehören, die in der Stadt New York ihren Sitz hat, und deren Präsident …«
    »… ich bin«, beendete von Helrung traurig seinen Satz. »Ich kenne diese Geschichte, Herr Anstaltsleiter. Gott sei’s geklagt, ich habe sie viele Male gehört. Für William bin ich nicht Abraham Henry, einfacher Schuhmacher aus Stubenbach, sondern Abram von Helrung, das Oberhaupt dieser imaginären Gesellschaft der Monstrumologen. Und der junge William hier – nicht mehr William, nein! Sondern Will Henry , sein treuer Lehrling, der ihm bei dieser seiner mythischen Monsterjagd hilft.«
    »Sogar mich schließt er in seine Fantasien ein«, warf Walker ein. »Ich bin, so scheint es, ebenfalls ein Mitglied der Monstrumologengesellschaft, ein Rivale gewissermaßen auch, erheblich versierter und daher eine Bedrohung für ihn …«
    Von Helrung räusperte sich lautstark und sagte: »Ich will ihnmit nach Hause nehmen. Er stellt für niemanden eine Gefahr dar – außer man ist zufällig ein dreiköpfiger Drache! Mein Enkel, Gott schenke seiner Seele Frieden, hätte nie die Bürde auf sich nehmen sollen, die richtigerweise seinem Vater gehört. Als ich hörte, dass er hier ist, bin ich umgehend gekommen. Sobald ich meinen Jungen wiedersehe, werde ich sofort wieder gehen. Wollen Sie mich jetzt zu meinem Jungen bringen, Herr Anstaltsleiter, um seine und meine eigene Bürde zu erleichtern?«
    * * *
    Wir wurden in den zweiten Stock geleitet, wo die gefährlichsten Insassen untergebracht waren. Es gab keine Riegel an den Türen, aber die Schlösser waren stabil und die Möbel in den Zimmern am Boden angeschraubt. Zum eigenen Schutz der Patienten waren einige Räume mit Gummi ausgekleidet, aber keiner trug Fußfesseln oder war auf irgendeine Weise eingeschränkt, ein weiteres humanes Unterscheidungsmerkmal der hanwellschen Philosophie. Mir kam der Gedanke, dass Warthrop ein weitaus schlimmeres Schicksal hätte erleiden können als die Zwangsunterbringung in einem Haus der Wahnsinnigen. Ohne Zweifel war es eine Qual für ihn gewesen; ohne Frage hatte er darunter gelitten, geistig gesund zu sein und genau diese geistige Gesundheit als Beleg seiner Verrücktheit angeführt zu bekommen, aber er war am Leben. Er war am Leben.
    Der Stationswärter wartete im Flur auf uns. Der Leiter nickte ihm zu, der Wärter schloss die Tür auf und stieß sie weit auf, und auf dem kleinen Bett auf der anderen Seite sah ich meinen Herrn sitzen, der einen weißen Morgenrock und Pantoffeln trug, die in dem Lichtstrahl, der durch das Fenster hinter ihm fiel, zu leuchten schienen. Er war blass und dünn und ausgezehrt, aber am Leben, sein Exil vorbei, am Leben – der Monstrumologe.



Dreiundzwanzig
    »Mein Name ist Pellinore Xavier Warthrop«

    Einen Moment lang vergaß ich meinen Text. Ich hatte einen Aussetzer, meine Knie wurden weich, und fast hätte ich »Dr. Warthrop!« gerufen, was den abrupten Fall des Vorhangs zur Folge gehabt hätte. Da war Freude, ihn wiederzusehen – das will ich nicht abstreiten –, doch da war auch Beklommenheit, ein kleines Schauergefühl. Der Monstrumologe mochte alles sein, was ich auf der Welt hatte, aber das hieß, dass der Monstrumologe alles war, was ich hatte!
    Er stand auf, als ich vortrat, einen Blick beinah komischer Verwunderung auf den gezeichneten Zügen, die beherrscht

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