Der Montagsmann: Roman (German Edition)
erfahre, mit was für einem Menschen ich verlobt bin.«
Sie sah, dass er sich sammelte und überlegte, womit er anfangen sollte.
»Fang ganz vorne an«, sagte sie rasch. »Ich möchte alles über dich wissen. Als Erstes zum Beispiel, wie alt du bist.«
»Ich bin am fünfundzwanzigsten Mai einunddreißig geworden.«
»Dann bist du Zwilling«, platzte sie ohne nachzudenken heraus. Sie hatte schon im Krankenhaus bei der Lektüre der Illustrierten bemerkt, dass sie sich mit Sternzeichen auskannte. Und sie glaubte auch an die Macht der Sterne, dessen war sie sich ganz sicher. Leider hatte sie keine Ahnung, was ihr eigenes Sternzeichen war. Aber diese Wissenslücke würde sie gleich als Nächstes schließen.
»Wann bin ich geboren?«, fragte sie, sich innerlich gegen alle möglichen grässlichen Wahrheiten wappnend.
»Am zweiundzwanzigsten August. Du wirst diesen Monat neunundzwanzig.«
»Oh«, sagte sie erleichtert. »Gott sei Dank. Ich dachte, ich wäre schon über dreißig und hätte mich nur gut gehalten. Und ich bin Löwe. Löwe ist ein wunderbares Sternzeichen! Passt übrigens auch gut zu Zwilling.«
»Ich bin tatsächlich Italiener«, fuhr er fort, ohne auf ihre letzte Bemerkung einzugehen. »Neapolitaner, um genau zu sein.«
Sie nickte. »Das dachte ich mir schon.«
»Wieso?«
»Weil da die Camorra sitzt. Bist du auch Mitglied bei denen?«
Er verschluckte sich beim Luftholen und hustete. »Wie kommst du darauf?«
»Natascha hat es mir erzählt.«
»Sie hat was ?«
»Oh, nicht, dass du bei der Mafia bist. Aber sie hat durchblicken lassen, dass dein Cousin … Na, du weißt schon. Er scheint mir ganz der Typ zu sein. Und da dachte ich, weil ihr zu einer Familie gehört … Man sagt doch in Neapel auch Famiglia dazu, oder nicht?«
»Du bist anscheinend gut informiert.«
»Ich habe Der Pate gesehen und weiß noch alle Einzelheiten.«
»Der spielt in Sizilien.«
»Richtig«, meinte sie zerstreut. »Wo waren wir stehen geblieben?«
»In Neapel. Ich bin da aufgewachsen und zur Schule gegangen, aber nur bis zu meinem elften Lebensjahr. Dann bin ich mit meiner Mutter und meiner Großmutter nach Deutschland gekommen. Meine Mutter hatte nach dem Tod meines Vaters einen neuen Mann kennen gelernt, einen Restaurantbesitzer. Den hat sie geheiratet und mit ihm das Restaurant geführt, einen ziemlich noblen Laden in Köln. Ich habe mich gut mit ihm verstanden und nach meinem Schulabschluss bei ihm die feine Küche gelernt. Danach war ich zwei Jahre Sous-Chef in Paris, im Ritz Carlton. Vor vier Jahren habe ich mein eigenes Restaurant eröffnet, das Schwarze Lamm .«
»Und was ist damit passiert?«
»Es ist leider abgebrannt.«
»Oje«, sagte Isabel ehrlich betroffen. »Das tut mir Leid. Hoffentlich warst du gut versichert.«
»Nicht ganz so gut, wie ich es gern gehabt hätte. Aber es hat gereicht, um den Laden hier zu kaufen und halbwegs instand zu setzen. Für die Neueröffnung musste ich mich verschulden, aber wenn nichts Unvorhergesehenes dazwischenkommt, kann ich mich in den nächsten zwei Jahren wieder konsolidieren.«
»Und wie soll das neue Restaurant heißen?«
»Wie das alte. Schwarzes Lamm .«
»Meinst du nicht, dass das nicht eventuell ein schlechtes Omen bedeuten könnte?«
»In jedem Fall bedeutet es eine gewisse Stammkundschaft, die mir hoffentlich treu geblieben ist. Das Restaurant hatte einen wirklich guten Ruf. Für die Neueröffnung habe ich schon jede Menge Anmeldungen.«
»Ich kann mich nicht an ein Restaurant namens Schwarzes Lamm erinnern«, sagte Isabel. »Ich überlege gerade, ob ich es kennen müsste, wenn es wirklich so gut wäre.«
Er stand auf und ging zum Fenster, wobei er ihr den Rücken zuwandte. Die Daumen in die Gürtelschlaufen seiner Hose gehakt, blickte er hinaus in die Dunkelheit.
»Kannst du dich denn an andere Restaurants erinnern?«, fragte er nach einer Weile.
»Nein«, räumte sie ein. »Nur an Namen, zum Beispiel Die Ente . Oder das, was du eben genannt hast. Das Ritz. Aber ich kann dir nicht sagen, ob ich schon dort gewesen bin.« Gereizt fuhr sie fort: »Ich weiß überhaupt nichts mehr, was im Zusammenhang mit meiner Person steht. Der behandelnde Arzt im Krankenhaus meinte, Amnesie-Patienten könnten sich für gewöhnlich an berufliche Fertigkeiten erinnern, aber sogar das ist total weg bei mir. Wenn ich wirklich mal eine gute Köchin war, hab ich leider vergessen, wie es geht. Ich konnte nicht mal Möhren schneiden.«
Als er darauf nichts erwiderte,
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