Der Montagsmann: Roman (German Edition)
reden?« Er ergriff ihren Arm und bugsierte sie ins Haus.
»Er war ein großer K-Künstler«, hickste sie. »Einer der größten. Und du kennst ihn nicht. Ha!«
»Wen? Den Bernini? Meine Güte, ich bin Italiener und war bestimmt schon hundert Mal in Rom. Man läuft dort an jeder Ecke an Bernini-Statuen vorbei.«
»Du kennst ihn also doch?« Sie wusste nicht recht, ob sie sich darüber ärgern oder freuen sollte. Unentschlossen ließ sie sich von ihm durch das Vestibül in die kleine Eingangshalle und von dort zur Treppe ziehen. »Was hast du vor?«
»Dich ins Bett zu bringen. Du bist beschwipst. Wo warst du überhaupt?«
»In einer sehr schönen B-Bar, wo es wunderbare Musik gab. Und nette Männer.«
»Aha. Und einer davon war wohl auch so nett, dir einen auszugeben, was? Du hattest doch gar kein Geld dabei!«
»Es gibt noch K-Kavaliere«, sagte sie von oben herab.
Sie stolperte hinter ihm her die Treppe hoch.
»Aua«, nuschelte sie. »Du zerrst so an mir!«
Er ließ sie los, worauf sie prompt aus dem Gleichgewicht geriet und stehen blieb, um sich am Geländer festzuhalten. Was wiederum dazu führte, dass er erneut ihre Hand packte, um sie weiterzuziehen.
Sie kicherte und fing an zu summen. »Come away with me …«
»Du hast ganz schön einen gekippt, oder?«
»Ich kann Klavier spielen. Und s-singen. Ich habe Ulysses gelesen. Ich bin kultiviert.«
Sie hatten das zweite Obergeschoss erreicht, und er stieß die Tür zu ihrem Zimmer auf.«
»Du bist blau.«
Sie riss sich los und rieb sich wütend das Handgelenk. »Ich bin … niemand!« Ihre Beschwingtheit war mit einem Schlag verflogen. »Kein Mensch kennt mich, vor allem nicht ich selbst! Wen immer ich frage – niemand erzählt mir etwas über mich! Nicht mal du, obwohl du seit vier Monaten mein … Freund bist! Ich bin ein Nichts, eine Null! Eine Negativ-Existenz! Alles, was es über mich zu wissen gibt, muss ich mühsam und Stück für Stück selbst herausfinden! Und niemand hilft mir dabei!« Sie stockte. »Ich habe heute Geburtstag. Ich hab mich an das Datum erinnert, das du mir genannt hast. Es ist mir vorhin eingefallen, als ich nach Hause kam.« Wütend lachte sie auf. »Nach Hause! Wo kein Mensch weiß, dass ich Geburtstag habe! Beinahe nicht mal ich selbst!«
Er schaute betroffen drein. »Oh, verdammt … Ich hab’s völlig verschwitzt … Es tut mir Leid!«
»Das sagst du doch nur so! Ich bin dir völlig egal!«
»Isabel …«
»Wieso bist du so komisch?«, rief sie verzweifelt aus. »Warum kannst du mir nicht helfen? Du bist doch mein … Aber ich hab das Gefühl, du magst mich gar nicht mehr, obwohl … Ich kann doch nicht …« Zu ihrem eigenen Entsetzen brach sie in Tränen aus. »Nein«, stammelte sie. »Ich bin keine H-Heulsuse! Bitte, ich …« Sie brach ab, um weiter zu weinen. Sie wurde förmlich geschüttelt von Schluchzern, die tief aus ihrer Brust stiegen und sich stoßweise den Weg durch ihre Kehle nach draußen bahnten.
»Isabel! Nicht doch! Bitte nicht weinen!«
Er hatte gut reden! Vielleicht hatte er auch noch einen guten Tipp auf Lager, wie sie damit aufhören konnte!?
Wie durch einen Nebel nahm sie wahr, dass sich Arme um sie legten. Nackte, starke Arme, die sie an eine ebenso nackte und starke Brust zogen.
»Isabel, verzeih mir. Ich hätte deinen Geburtstag nicht vergessen dürfen. Sag mir, was ich tun kann, um es wieder auszubügeln!«
»Sprich nicht vom Bügeln«, murmelte sie erstickt an seiner Schulter.
Sie hätte nicht erwartet, dass es so gut tun würde, von ihm umarmt zu werden. Letzte Woche in der Küche war es anders gewesen, da hatte sie einfach nur darauf gefiebert, dass er sie küsste und sie anfasste. Jetzt wollte sie bloß gehalten und getröstet werden, mehr nicht.
Mhm, er roch gut. Sehr, sehr gut.
Sie wusste selbst nicht, wie es kam, dass sie auf einmal ihre Nase über seine Brust rieb. Und ihre Lippen gleich dazu. Ihre Tränen versiegten schlagartig, sie konnte schließlich schlecht seine ganze Brust nass heulen. Außerdem konnte sie nicht richtig an ihm schnuppern, wenn ihr vom Weinen die Nase triefte.
»Isabel …«
Es hörte sich wunderbar an, wenn er ihren Namen aussprach. Kein bisschen niveaulos.
Da er sie schon so eng an sich drückte, ergab es sich wie von selbst, dass sie ihre Hände hob und sie über seinen Rücken gleiten ließ.
»Isabel«, murmelte er.
Und dann musste sie nichts weiter tun, als ihm ihr Gesicht entgegenzuheben, damit er sie küssen konnte. Was er mit wilder,
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