Der Montagsmann: Roman (German Edition)
der freundliche Pfandleiher versichert hatte. Natürlich nur gegen Geld, aber das würde bestimmt bald kein Problem mehr sein. Hubertus Frost hatte hervorragende Konditionen für ihre wöchentlichen Auftritte ausgehandelt und wollte nichts weiter dafür haben als freies Essen im Schwarzen Lamm , wenn er mal wieder auf der Durchreise war. Einen erfolgreichen Auftritt in einer Jazzkneipe hatte sie bereits hinter sich, oder sogar zwei, wenn man den ersten mitzählte. Der zweite hatte ihr schon ein hübsches Sümmchen eingebracht. Sie hatte sich bei H&K von Kopf bis Fuß davon eingekleidet, sogar dreifach. Und hinterher noch Geld für ein bisschen schöne Deko übrig gehabt. Wenn man einmal raushatte, wie es mit dem Geldverdienen funktionierte, war es kinderleicht. Wieder eine neue Erfahrung in einem neuen Leben.
»Nicht dort hin!«, rief sie. Im Gang vor dem Speisesaal waren die Packer mit dem Sekretär aufgetaucht. »Bitte wieder zurück damit! Der soll vorn in der Eingangshalle stehen!«
Sie zeigte den Männern, wo sie das Möbelstück haben wollte, nämlich neben dem Kassenbereich, genau in der Mitte eines gefälligen Ensembles aus rotem Designer-Samtsofa (Konkursware), Kupferkanne auf Dreifuß, beides spätes achtzehntes Jahrhundert (Sponsoring eines Antiquitätenhändlers, der dafür mit diskretem Firmenlogo auf dem Parkplatzschild verewigt war) und einem wirklich umwerfend prachtvollen venezianischen Spiegel (stinknormale preisgünstige Neuware aus dem örtlichen Möbelhaus, eigenhändig mit Beize und Feile auf Alt getrimmt).
Das Entree eines Hauses, vor allem in der Gastronomie, war so wichtig wie kaum ein anderer Teil des Innenbereichs, es konnte gar nicht sorgfältig genug gestylt werden. Na gut, vielleicht waren die Gästetoiletten mindestens genauso wichtig, aber darüber musste zum Glück hier niemand mehr nachdenken, denn Olaf hatte ganze Arbeit geleistet, mit selbstreinigenden WC s, Marmorbordüren, eingelassenen Waschbecken und indirekt beleuchteten Spiegeln. Ganz zu schweigen von solchen Kleinigkeiten wie Händetrockner mit Sensorautomatik, elektronischem Handtuchspender und berührungsfreien Hightech-Armaturen.
Alles war edel und vom Feinsten. Am Anfang hatte es im ganzen Haus nur ein richtiges Glanzlicht gegeben, nämlich die Küche, doch inzwischen war der gesamte Gastronomiebereich in dieselbe First-class-Kategorie aufgerückt. Fabio war ein Raubein, er ging nicht in Opern, hatte nie was von James Joyce oder Thomas Mann gelesen und war in seiner Ausdrucksweise eher geradlinig als intellektuell. Aber er war ein gastronomischer Tausendsassa. Und ein Wahnsinnslover …
Alles hätte so perfekt sein können. Bis auf zwei Kleinigkeiten. Erstens, an ihrer Amnesie hatte sich nichts geändert. Zweitens …
»Ach, da bist du ja«, sagte sie. Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme atemlos klang, wie immer, wenn er so unvermittelt in ihrer Nähe auftauchte.
Seit diesem einen wundervollen Mal letzte Woche hatte er nicht mehr mit ihr geschlafen. Es war immer was dazwischengekommen. Einmal war er abends auf dem Geburtstag eines Schulfreundes eingeladen gewesen (»Reine Männergesellschaft, da würdest du dich nur langweilen«), an einem anderen Abend hatte er Unterlagen für den Steuerberater fertig machen müssen (»Dafür brauch ich garantiert die halbe Nacht«), und dann hatte er diese furchtbare Magenverstimmung gehabt, von der er sich immer noch nicht ganz wiedererholt hatte (»Das ist der Stress wegen der Eröffnung«).
»Hallo«, sagte Fabio. Er küsste sie auf die Wange und fuhr ihr durchs Haar, seine übliche Begrüßung am Morgen. Zu mehr konnte er sich nicht durchringen, wenn Leute dabei waren, offensichtlich mochte er keine Vertraulichkeiten, wenn er dabei beobachtet werden konnte. Dummerweise waren eigentlich immer Beobachter anwesend, denn je näher die Eröffnung rückte, umso voller wurde es im Schwarzen Lamm . Immer häufiger kamen Lieferanten, und das Personal war ebenfalls aufgestockt worden. Für den Eröffnungsabend sollte die volle Restaurantbesetzung antreten, und Fabio war jeden Tag Stunden beschäftigt, mit den Leuten ihren Einsatz zu proben. Harry war der Sommelier, genau wie im ersten Schwarzen Lamm , Natascha die Sous-Chefin, beide fest angestellt. Außerdem gab es eine Reihe Teilzeitkräfte: einen Barkeeper, einen Patissier, zwei Hilfsköche, zwei Küchenhilfen, eine Empfangs- und zwei Servicedamen. Sie rückten alle miteinander meist am frühen Abend an, und dann ging es
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