Der Montagsmann: Roman (German Edition)
Tomatenwürfelchen, ein lombardisches Rezept, wie Natascha während des Kochens erläutert hatte. Als Isabel sie fragte, ob sie es schon einmal gemeinsam gekocht hätten, meinte Natascha, sie könne sich nicht daran erinnern.
Zwei Servierkräfte und einer der neuen Hilfsköche, die mit ihnen gegessen hatten, verabschiedeten sich schon vor dem Dessert, weil sie am folgenden Tag früh aufstehen mussten. Sie arbeiteten nebenher für einen großen Caterer und waren für eine Hochzeit eingeteilt. Als eine der jungen Frauen schwärmerisch davon erzählte, wie hübsch die Dekoration in dem bereits aufgebauten Festzelt geraten sei, kam Isabel ins Grübeln, wie immer, wenn jemand die Rede aufs Heiraten brachte.
Fabio starrte die meiste Zeit über schweigend auf seinen Teller und trank dazu reichlich von dem Chianti, den Harry aus den neuen Beständen kredenzte. Eigentlich sollte es davon nur ein Probiergläschen für jeden geben, aber dieser Vorsatz hatte sich nach der dritten, spätestens nach der vierten Flasche verflüchtigt. Harry hatte gemeint, er würde einfach Nachschub bestellen, der Lieferant hätte ihm sowieso für weitere Chargen einen Sonderpreis angeboten und es wäre Blödsinn, das nicht auszunutzen.
Als es Zeit für den Nachtisch wurde, ging Isabel in die Küche, um die gefüllten und überbackenen Pfirsiche aus dem Backofen zu holen. Sie hatte sie eigenhändig abgebrüht und enthäutet und mit einem Makronen-Rum-Gemisch gefüllt, alles nach Nataschas Anweisungen mit Amaretto besprengt und zum Überbacken unter den Grill geschoben, nachdem sie die leeren Teller vom Fischgang abgeräumt hatten.
Behutsam stellte sie eines der dampfenden Förmchen vor Fabio ab. »Bitte sehr. Guten Appetit. Buon appetito .«
»Danke«, sagte er, während er zu ihr aufblickte. »Mille grazie.«
Anscheinend redete er mehr Italienisch, wenn er Wein getrunken hatte. Isabel mochte den Klang seiner Stimme, wenn er Italienisch sprach. Sogar seine Flüche heute in der Küche hatten sich aufregend angehört. Vor allem in Verbindung mit dem heißen Kuss, den er ihr kurz davor gegeben hatte.
Einträchtig löffelten sie das Dessert.
»Wie heißt das noch gleich?«, fragte Isabel. Sie wusste es natürlich noch, aber sie wollte, dass Fabio es sagte. Wenn ihm auch schon nicht nach weiteren Küssen der Sinn stand, wollte sie wenigstens ein Paar Brocken Italienisch hören.
»Pesce agli Amaretti« , sagte er mit seiner leicht angerauten Stimme.
»Und der Fisch?«, fragte sie atemlos.
»Luccio alle olive e biete con dadolata di pomodori.«
Isabels Löffel blieb auf halbem Weg zum Dessertschälchen hängen. Fabio schaute nicht länger auf seinen Teller, sondern in ihr Gesicht. Plötzlich schienen sie allein im Raum zu sein. In ihrem Kopf dröhnte und summte es. Natascha hatte Recht, durchzuckte es sie. Mein Gott, ich bin in ihn verknallt! Und ich möchte so sehr mit ihm ins Bett, dass ich schon fast schreien könnte!
»Olaf, lass uns rauf in mein Zimmer gehen und Fußball gucken«, sagte Natascha.
»Ach«, sagte Olaf interessiert. »Kommt heute Fußball?«
»Keine Ahnung. Wir könnten den Fernseher anmachen und nachsehen.«
»Gibt es keinen Espresso mehr?«
»Der ist ausgegangen«, sagte Harry hastig. »Morgen muss ich neuen besorgen.« Er stand auf und streckte sich. »Ich räum rasch ab und verschwinde dann zum … Harfespielen.«
Isabel überlegte flüchtig, wie merkwürdig es war, dass Harry zum Harfespielen verschwinden wollte, zumal doch die Harfe gleich da drüben in der Ecke stand. Doch das war mit einem Mal von größtmöglicher Bedeutungslosigkeit. Hauptsache, er verschwand.
Sie erwiderte unverwandt Fabios Blick. Die Luft zwischen ihnen erschien ihr mit einem Mal schwerer als vorher, wie aufgeladen, von einer fremdartigen, namenlosen Energie.
Und dann waren sie wirklich allein. Die anderen waren gegangen, verschwunden wie flüchtige Schatten, die sich nur vorübergehend am Rande ihrer Wahrnehmung bewegt hatten. Der Tisch war bis auf die beiden Kerzenhalter abgeräumt, und es war still im Raum.
»Kannst du noch mehr davon sagen?«
Fabio ließ sie nicht aus den Augen. »Was meinst du?«, murmelte er.
»Wörter. Auf Italienisch. Rezepte.«
»Warum?«
»Ich … ähm, ich bin doch eine Küchenhilfe.« Ihre Stimme klang piepsig und zugleich atemlos, eine seltsame Mischung. »Ich hab zwar vergessen, wie es geht, aber das kann man ja ändern. Und weil ich in einem italienischen Restaurant arbeite, sollte ich wissen, wie die
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