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Der Montagsmann: Roman (German Edition)

Der Montagsmann: Roman (German Edition)

Titel: Der Montagsmann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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mit.
    Zu Hause … In ihrem Kopf begann es zu rumoren, und plötzlich waren die Schmerzen so schlimm, dass sie am liebsten gewimmert hätte. Es fühlte sich an, als würde sie gegen eine Wand laufen, wieder und wieder. So ähnlich war es auch an den anderen Tagen gewesen, wenn die Schmerzen gekommen waren. Doch heute war die Wand anders. Sie schien dünner und dabei zugleich nachgiebiger geworden zu sein. Wenn sie nur noch ein wenig …
    Nein! Isabel stöhnte. Sie wollte es nicht! Nicht um den Preis, den sie dafür bezahlen musste!
    Fabio hatte sich hinters Steuer gesetzt und den Wagen gestartet. »Es ist nicht weit«, sagte er. »Eine gute halbe Stunde vielleicht.«
    »Fahren wir nach Hause?«, fragte sie, obwohl sie bereits ahnte, wie die Antwort lauten würde.
    »Zu dir nach Hause«, bestätigte er.
    »Du weißt, wo ich wohne?« Ihre Stimme klang tonlos, und sie suchte in ihrer winzigen Tasche weiter nach den Tabletten, obwohl sie genau wusste, dass sie nicht daran gedacht hatte, die Packung einzustecken.
    »Ja«, antwortete er lapidar.
    Danach verfiel er in Schweigen, und auch sie sagte kein Wort mehr. Stumm blickte sie geradeaus durch die Windschutzscheibe in die Dunkelheit und gab sich Mühe, an nichts zu denken, was die Schmerzen verschlimmern würde.
    Er fuhr auf die Autobahn und gab Vollgas. Isabel schloss die Augen, als könnte sie so die Wirklichkeit ausblenden, doch im Inneren war ihr klar, dass ihre Vergangenheit unaufhaltsam näher kam.
    Irgendwann merkte sie, dass er angehalten hatte. Seine Hand berührte sie an der Schulter.
    »Isabel, wir sind da.«
    S ie öffnete die Augen und sah die Mauer, die das Haus umgab. Weiter vorn war ein schmiedeeisernes Tor.
    Die Wand, gegen die sie die ganze Zeit gerannt war, verwandelte sich in einen Vorhang. Er war noch dicht und dunkel, aber sie wusste, dass sie ihn mit einem Ruck zur Seite reißen konnte, wenn sie es wollte. Doch wollte sie es?
    Die Frage stellte sich gleich darauf nicht mehr, denn Fabio stieg aus, kam um den Wagen herum und half ihr hinaus. Anschließend ging er die paar Schritte bis zum Gitter der Einfahrt. Er holte einen Schlüssel aus der Hosentasche und öffnete das seitlich angebrachte Tor.
    Isabel folgte ihm mit steifen, abgehackten Schritten und kam sich dabei vor wie ein Roboter, den jemand aufgezogen hatte und der weitergehen musste, ohne eigenen Willen und unbeseelt, wie eine Maschine, die nicht mehr anhalten konnte.
    Im matten Licht der Außenbeleuchtung schritt sie neben Fabio über den Kiesweg des gepflegten Anwesens, das auf jeden Betrachter vermutlich anheimelnd wirkte. Ihr selbst erschien die breite, geschnitzte Holztür wie das Maul eines bösartigen Riesen, der sie gleich verschlingen würde. Der Wagen, der dort in der Einfahrt stand … Es war nicht ihrer, er gehörte …
    Der Vorhang war nur noch ein dünnes, durchsichtiges Gespinst, und niemand würde mehr daran ziehen müssen, um ihn zu entfernen.
    Im nächsten Moment öffnete sich die Haustür, und ein Mann erschien. Er war groß, blond und attraktiv. Es war der Mann aus ihrem Traum. Der Mann, den sie hatte heiraten wollen.
    »Isabel!«, rief er. »Mein Gott, du bist wieder da!«
    »Ja«, sagte sie. »Ja, ich bin wieder da.«
    Es klang wie die schlichte Bestätigung einer offensichtlichen Tatsache, aber es war eine Feststellung im doppelten Sinne.
    Als würde sie sich auf zwei Ebenen gleichzeitig bewegen, spürte sie, wie ihre Wahrnehmungen in Bewegung gerieten. Es war, als kämen ihre Gedanken und Gefühle mit der Wucht von Hochgeschwindigkeitszügen aus entgegengesetzten Richtungen angerast, um sich an einem vorher bestimmten Punkt zu treffen. Sie erwartete einen schrecklichen Zusammenprall, doch es war kaum mehr als ein mentales Klicken, ein schwaches Ineinandergleiten, als sich Vergangenheit und Gegenwart verbanden und wieder ein nahtloses Ganzes ergaben.
    »Ja«, wiederholte sie. »Ich bin wieder da.«
    Sie schaute sich zu Fabio um, der abwartend stehen geblieben war. Ihr Kopf schmerzte immer noch, wenn auch nicht so heftig wie vorhin. Doch selbst, wenn das Kopfweh doppelt so schlimm gewesen wäre – es wäre immer noch nichts gegen den schrecklichen Schmerz, der gerade ihr Herz auseinander riss.
    Ihre Erinnerungen waren zurückgekehrt. Und damit auch die Erkenntnis, dass alles eine Lüge war.
    »Ich gehe dann wohl besser«, sagte Fabio mit schleppender Stimme. »Du … weißt ja jetzt alles wieder, oder?« In seinem Gesicht arbeitete es. »Isabel, ich … Was ich dir

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