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Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Titel: Der Mord an Harriet Krohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Menschen. Deren Herzen sind rein. Er weicht zurück und geht lieber in die Küche. Er ist einer geworden, der sich in den Ecken herumdrückt. Ich habe ein Leben, denkt er. Das, was von meinem Leben noch übrig ist, muß ich im Schatten verbringen, allein. Ich bezahle einen hohen Preis. Werde ich jemals wieder Menschen in die Augen sehen können? Dann reißt er sich energisch zusammen. Er hat noch etwas Wichtiges zu erledigen. Er zieht seine Brieftasche hervor und fischt eine kleine Karte mit einer Telefonnummer heraus. Die Nummer eines Hehlers, der keine Fragen stellt. Ein Mittelsmann nur, den er niemals wiedersehen wird. Er muß alles auf eine Karte setzen. Wir sind doch in derselben Branche, denkt er, der Hehler und ich, und es gibt keinen anderen Weg. Er kehrt dem Fenster den Rücken zu und tippt die Nummer ein.
    Sie sind am Bahnhof verabredet, ganz hinten, bei den Langzeitparkplätzen. Charlos Herz hämmert wild. Er holt das Silber hervor und legt es in eine Tasche. Der Schmuck bleibt in Julies Turnbeutel ganz unten in der Seekiste, er ist von geringem Wert, niemand wird ihm das abnehmen. Vor dem Spiegel bleibt er stehen, mustert sein Gesicht, das er jetzt vorzeigen muß. Er findet, daß die Nase hervorsteht, er hat das Gefühl, daß seine Ohren glühen. Es ist ihm überaus zuwider, auf diese Weise aus dem Haus zu müssen, aber ihm bleibt nichts anderes übrig. Er zwingt sein Gesicht zur Ruhe, denn die Muskeln wollen auf eine widerliche, entlarvende Weise zucken, an den Augen und am Mund. Er legt die Tasche ins Auto und fährt los. Immer wieder schaut er in den Spiegel, das ist ihm zur Gewohnheit geworden. Er fährt weiter über die Brücke. Bei der Bahnlinie biegt er nach links ab, sein Blick wandert an den abgestellten Wagen entlang, und ganz hinten sieht er einen Mann an einem BMW lehnen. Dieser Mann folgt Charlos Honda mit seinem Blick, kommt dann zu ihm, als er anhält. Charlo traut sich fast nicht, ihn anzusehen. Er bleibt mit gesenktem Kopf im Auto sitzen und wartet, daß der andere die Initiative ergreift. Das tut er. Er klopft ans Fenster und schaut herein. Er ist überraschend jung, ein Grünschnabel, aber erfahren genug. Ein schlaksiger Typ mit trägen Bewegungen und lange blonde Haare. Er stellt keine Fragen, ihre Blicke weichen einander aus, hier werden Geschäfte gemacht. Der andere setzt sich in Charlos Honda. Das Silber macht Eindruck, die goldene Uhr ebenfalls. Charlo hält den Atem an, während der andere die Stempel betrachtet, er hat eine Lupe mitgebracht, er nimmt die Sache genau. Er zieht einen Taschenrechner hervor. Charlo wartet geduldig. Er will nicht nerven, will nicht feilschen, er will die Sache nur hinter sich bringen.
    »Die Uhr ist graviert«, sagt der Hehler und schaut Charlo skeptisch an.
    »Aber ihr schmelzt sie doch ein, oder?«
    Der junge Typ wiegt die Uhr in der Hand, kneift ein wenig die Augen zusammen, fühlt sich offenbar verlockt. Dann verschwindet sie schließlich in seiner Tasche, und Charlo atmet erleichtert auf.
    »Ich bin nur der Vermittler«, sagt er. Er versucht ein Lächeln. Der junge Typ grinst mit gelben Zähnen.
    »Das sagt ihr doch alle.«
    Charlo senkt wieder den Kopf, er kommt sich ein wenig naiv vor. Der Hehler untersucht das Silber eingehend. Er hat endlos viel Zeit und scheint kein bißchen nervös zu sein.
    »Ich glaube, das ist antik«, sagt Charlo. »Ein Muster, das vielleicht nicht mehr hergestellt wird. Was glaubst du? Ja, ich wollte das nur mal erwähnen, es ist doch von Bedeutung für den Preis. Oder nicht?«
    Noch immer keine Antwort. Der Mann hat eine Gabel in der Hand, er mustert das Muster. Charlo schaut sich über seine Schulter um, aber es sind kaum Leute unterwegs, alles ist still. Der Mann macht sich wieder über die Tasche her, er läßt sich bei der Arbeit nicht stören. Jetzt ist er bei den Kerzenhaltern angekommen, er wiegt sie in der Hand.
    »Die sind nur versilbert«, sagt er. »Die kannst du wieder mit nach Hause nehmen.«
    »Versilbert? Lieber nicht. Ich meine, du hast doch mehr Kontakte als ich. Kannst du sie nicht irgendwie loswerden?«
    Der andere zuckt mit den Schultern, tastet mit raschen Fingern auf dem Taschenrechner herum. Charlo starrt seine Hände an, knetet sie. Eine kleine Ewigkeit vergeht. Der Mann zählt, wiegt, studiert, er hat einen scharfen, abschätzenden Blick.
    Und dann hat er sich endlich entschieden. Er schaut das Display an, fängt Charlos Blick ein und seine Stimme klingt gebieterisch.
    »Vierzigtausend für

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