Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)
triftige Gründe, Sie zu verdächtigen. Deshalb sind Sie hier.«
»Was Sie nicht sagen«, sagt Charlo. »Am Ende haben Sie es also doch über die Lippen gebracht. Daß Sie überstürzt handeln, kann man Ihnen wirklich nicht vorwerfen.«
»Räumen wir doch ein wenig auf«, sagt Sejer. »Es gibt einzelne Dinge, die das Bild stören. Unwesentliche Dinge.«
»Als da wären?«
»Die Fahrt nach Kongsberg. Können wir die beiseite räumen?«
»Warum das?«
»Sie waren nicht dort. Sie versuchen nur, den Abend zu füllen.«
»Sicher war ich in Kongsberg. Ist das denn wirklich so wichtig?«
»Ich glaube, Sie sind auf direktem Weg nach Hamsund gefahren. Und auf dem Sitz neben Ihnen lag ein großer Blumenstrauß. Sie haben hinter dem stillgelegten Hotel gehalten und sind mit den Blumen ausgestiegen.«
»Sie wissen ja wohl alles. Und was habe ich dann gemacht?«
»Sie sind in die Fredboes gate Nummer 4 gegangen. Das grüne Haus. Und haben an Harriet Krohns Tür geklingelt.«
Jetzt ist es gesagt. Jetzt ist es ans Licht gekommen. Aber es dröhnt nicht so in seinen Ohren, wie er vermutet hat. Er sagt: »Nein. Nein, ich bin nicht zu ihrem Haus gegangen, ich weiß nicht, wer sie ist.«
»Das glaube ich auch nicht. Ich glaube, die Wahl ist ziemlich zufällig auf sie gefallen. Aber da Sie mit einem Blumenstrauß bewaffnet waren, konnten Sie sich leicht Zutritt zu ihr verschaffen.«
»Ich habe keine Blumen gekauft!«
»Ruhig, Torp. Hören Sie mir jetzt zu. Ich finde, wir sollten hier Ordnung schaffen und unsere Zeit nicht mit Unwesentlichkeiten verschwenden. Wir wissen, daß Sie Blumen bei sich hatten.«
»Die hatte ich für Julie gekauft.«
»Ach, für Julie waren die also. Aber damals, im November, wollte Julie Sie doch nicht sehen. Das haben Sie schon erzählt.«
»Es war ein Versuch, um Vergebung zu bitten.«
»Aber es hat nicht funktioniert?«
»Ich habe bei ihr angeklopft, aber sie war nicht da.«
»Und was haben Sie dann mit den Blumen gemacht?«
»Ich habe sie weggeworfen.«
»Wo?«
»Einfach in eine Mülltonne, irgendwo in der Stadt. Ich war enttäuscht.«
»Sie hatten schrecklich wenig Geld. Aber teure Blumen haben Sie sich geleistet?«
»Wenn es um Julie geht, spare ich an nichts.«
»Dieser Besuch bei ihr, der ist Ihnen erst jetzt eingefallen?«
»Ja, ich hatte ihn vergessen. Aber nach und nach funktioniert meine Erinnerung immer besser.«
»Mit anderen Worten, es kann noch mehr geben, was Sie vergessen haben?«
»Das glaube ich nicht. Aber das mit den Blumen hatte ich wohl verdrängt, das war eine Niederlage.«
»Aber mehrere Niederlagen haben Sie an diesem Abend dann nicht erlebt?«
»Doch. Den Unfall, den kann man sicher als Niederlage bezeichnen.«
»Aber daran waren Sie ja nicht schuld, Sie hatten doch Vorfahrt.«
»Ja. Aber es war ein erbärmlicher Abschluß für einen erbärmlichen Abend.«
Sejer nickt und macht sich Notizen. »So würden sie diesen Abend also beschreiben? Als erbärmlich?«
»Ja. Ich war total fertig, als ich nach Hause gekommen bin. Ich kam mir vor wie durch den Wolf gedreht.«
»Sie benutzen drastische Bilder. Aber reden Sie jetzt von ihrer Labilität an diesem Tag? Die hat Sie so erschöpft?«
»Ja. Ich weiß noch, daß ich in einem Sessel im Wohnzimmer saß und langsam wieder zu mir kam. Als wäre ich lange fort gewesen.«
»Waren Sie das?«
»Was?«
»Waren Sie lange dort? Außerhalb Ihrer selbst?«
»Ja, ich glaube, so kann man das sagen. Es war, wie den Kontakt zwischen Körper und Seele zu verlieren. Haben Sie das schon mal erlebt?«
»Ja, das schon. Man kommt sich vor wie ein Roboter.«
»Genau.« Charlo nickt.
»Sie haben sich wie ein Roboter gefühlt?«
»So kann man das sagen.«
»Was für Verletzungen haben Sie sich bei dem Unfall zugezogen?«
»Verletzungen? Ach, gar keine. Da bin ich mit dem Schrecken davongekommen. Und meine Handgelenke taten danach weh, weil ich das Lenkrad so fest umklammert hatte.«
»Sie haben diesen Zwischenfall also vollkommen unverletzt überstanden?«
»Ja, wir beide. Oder wurde er doch verletzt? Davon hat er kein Wort gesagt. Aber dazu hatte er wohl auch keine Gelegenheit, weil ich da so rumgeschrien habe.«
»Nein, darüber hat er nichts gesagt. Aber er hat über Sie gesprochen.«
»Also, ich habe mich nicht verletzt.«
Sejer läßt sich im Sessel zurücksinken und sieht ihn nachdenklich an.
»Sie hatten Blut ganz unten am Parka. Woher kam dieses Blut?«
»Nein, jetzt sind Sie wieder auf der falschen
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