Der Mord zum Sonnntag
unterhalten.»
«Komm schon, Min. So müde bist du gar nicht.» Der
scharfe Tonfall ließ Min die Augen öffnen und sich
aufsetzen. Ich hatte recht, dachte Elizabeth. Sie ist weniger
krank als vielleicht verängstigt. «Min, ich hab eben das
Stück, in dem Leila auftrat, zweimal hintereinander
gelesen. Ich hab es ja zusammen mit euch allen in der
letzten öffentlichen Generalprobe gesehen, aber nicht
richtig hingehört, weil ich mir solche Sorgen wegen Leila
machte. Min, dieses Stück hat jemand geschrieben, der
Leila in- und auswendig kannte. Deshalb war es wie für
sie gemacht. Jemand hat sogar Helmuts Redewendung
benutzt – ‹ein Schmetterling, der auf einer Wolke
dahinsegelt›. Leila ist das auch aufgefallen. Sie hat eine
Randnotiz gemacht: ‹Dem Baron erzählen, daß ihn jemand
plagiiert.› Min …»
Sie hatten beide denselben Gedanken und starrten sich
entgeistert an. «Helmut hat die Werbetexte geschrieben»,
flüsterte Elizabeth.
«Die täglichen Rundbriefe sind auch von ihm. Vielleicht
existiert gar kein wohlhabender College-Professor. Min,
hat Helmut dieses Stück geschrieben?»
«Ich … weiß … es … nicht.» Min erhob sich. Sie trug
einen losen Hänger, der auf einmal viel zu weit erschien,
als sei sie darin zusammengeschrumpft. «Entschuldigst du
mich jetzt bitte, Elizabeth? Ich muß in die Schweiz
anrufen.»
8
Bedrückt trottete die sonst so unbekümmerte, forsche
Alvirah über den heckengesäumten Pfad, der zum
Behandlungsraum C führte. Die Anweisungen der
Krankenschwester wurden noch einmal bekräftigt durch
die Mitteilung auf dem Frühstückstablett. Sie las sich
freundlich und aufmunternd, aber trotzdem fühlte sich
Alvirah nun, da es soweit war, ziemlich flau.
In der Mitteilung hieß es, daß der Zugang zu den
Behandlungsräumen durch die zugehörigen Außentüren
erfolgte, um strikte Diskretion zu gewährleisten. Alvirah
sollte sich um 15 Uhr im Behandlungsraum C einfinden
und dort auf den Tisch legen. Wegen ihrer Aversion gegen
Spritzen würde man ihr eine starke Dosis Valium
verabreichen, und sie dürfe sich dann bis 15 Uhr 30
ausruhen, dem Zeitpunkt, zu dem Dr. von Schreiber die
Behandlung durchführen werde. Danach könne sie sich
eine weitere halbe Stunde ausruhen, bis die Wirkung des
Valiums nachgelassen habe.
Die blühenden Hecken waren fast zwei Meter hoch, sie
kam sich darin vor wie ein junges Mädchen in einer
Laube. Es war ein ziemlich warmer Tag, aber die hohen
Hecken spendeten Schatten, und die Azaleen erinnerten
sie an ihre eigenen vor dem Haus, die im Frühjahr so
herrlich geblüht hatten.
Sie stand an der Tür zum Behandlungsraum. Sie war
hellblau gestrichen, und ein winziges goldenes C
bestätigte, daß sie hier richtig war. Zögernd öffnete sie
und trat ein.
Der Raum wirkte wie ein Damenzimmer –
Blumentapete, blaßgrüner Teppichboden, ein kleiner
Toilettentisch und ein zweisitziges Sofa. Der
Behandlungstisch war wie ein Bett hergerichtet: zur
Tapete passende Laken, blaßrosa Tagesdecke und ein
spitzenbesetztes Kissen. An der Wandschranktür hing ein
goldgerahmter Spiegel mit abgeschrägten Kanten. Nur ein
Schrank mit medizinischen Geräten wies auf die
eigentliche Bestimmung dieses Raums hin, und selbst der
war aus poliertem hellem Holz mit in Blei gefaßten
Glastüren handgefertigt.
Alvirah zog ihre Sandalen aus und stellte sie ordentlich
nebeneinander unter den Tisch. Sie hatte Schuhgröße 42
und wollte vermeiden, daß der Doktor darüber stolperte,
wenn er ihr die Spritze gab. Sie legte sich auf den Tisch,
zog die Decke hoch und schloß die Augen.
Gleich darauf öffnete sie sie wieder, als die Schwester
hereinkam. Sie hieß Regina Owens und hatte ihre
Krankengeschichte aufgenommen. «Machen Sie doch kein
so ängstliches Gesicht», sagte Miss Owens. Alvirah
mochte sie. Sie erinnerte sie an eine der Frauen, bei denen
sie früher geputzt hatte. Regina Owens war um die
Vierzig, hatte dunkles, kurzes Haar, hübsche, große Augen
und ein freundliches Lächeln.
Sie reichte Alvirah ein Glas Wasser und zwei Pillen.
«Davon werden Sie angenehm schläfrig und merken dann
gar nichts von der tollen Verschönerung.»
Gehorsam schluckte Alvirah die Tabletten hinunter. «Ich
komme mir wie ein kleines Kind vor», entschuldigte sie
sich.
«Keine Rede davon. Sie würden sich wundern, wie viele
Leute Angst vor Spritzen haben.» Miss Owens trat ans
Kopfende und begann, ihr die Schläfen zu massieren. «Sie
sind
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