Der Mord zum Sonnntag
die sie für ihre Arbeit im New York Globe gebrauchen konnte.
«Diese Reise war wundervoll», bemerkte sie, «aber kein
Erlebnis, über das ich schreiben könnte. Die Story, wie die
Queen zum Tee im Stafford Court Hotel erschien und die
Katze des Direktors auf ihre Corgis losging, mußte ja
schon als Knüller herhalten.»
«Ich bin richtig froh, daß wir ’nen hübschen, ruhigen
Urlaub hatten», entgegnete Willy. «Von der Sorte, wo du
unbedingt Verbrechen aufklären mußt und dabei beinahe
abgemurkst wirst, kann ich nicht mehr viel verkraften.»
Die Stewardeß von British Airways kontrollierte auf
ihrem Rundgang durch die Erster-Klasse-Kabine, ob sich
die Passagiere angeschnallt hatten. «Ich hab’ mich
wirklich gern mit Ihnen unterhalten», erklärte sie. Willy
hatte erzählt, daß er Klempner und Alvirah Putzfrau
gewesen waren, bevor sie in der Lotterie vierzig Millionen
gewannen. «Meine Güte», sagte sie jetzt zu Alvirah, «ich
kann’s einfach nicht glauben, daß Sie mal Reinemachefrau
waren.»
Erfreulich bald nach der Landung saßen sie in einem
Taxi, ihr Gepäck, ein exklusives Set von Vuitton, stapelte
sich im Kofferraum. New York war heiß, schwül und
stickig, wie immer im August. Das Taxi glich einer Sauna,
und Alvirah sehnte den Augenblick herbei, in dem sie die
neue Wohnung in Central Park South betreten konnte, wo
es natürlich herrlich kühl war. Ihre alte
Dreizimmerwohnung in Flushing wollten sie beibehalten,
immerhin hatten sie dort dreißig Jahre gelebt, bevor der
Lotteriegewinn alles veränderte. Man könne ja nie wissen,
argumentierte Willy, ob New York nicht eines Tages
pleite gehen und den Gewinnern mitteilen würde, sie
sollten die restlichen Schecks in den Wind schreiben. Für
den Fall der Fälle behielten sie die Wohnung bei und einen
Notgroschen in der Citizens of Flushing Bank.
Als das Taxi vor dem Wohnhaus hielt, öffnete ihnen der
Pförtner, in Rot und Gold mit wuchtigem schwarzen
Pelzhut, die Tür. «Sie müssen ja zerfließen», meinte
Alvirah. «Man fragt sich, wozu die Sie so ausstaffieren,
bevor sie mit den Renovierungen fertig sind.»
Das Gebäude wurde einer kompletten Instandsetzung
unterzogen. Als sie die Wohnung im Frühjahr kauften,
hatte ihnen der Immobilienmakler versichert, die
Renovierung wäre innerhalb von Wochen abgeschlossen.
Die Gerüste in der Halle widerlegten diesen ungezügelten
Optimismus eindeutig.
Vor den Fahrstühlen trafen sie auf ein Ehepaar, einen
hochgewachsenen Fünfziger und eine schlanke Frau im
weißseidenen Abendkostüm; sie macht ein Gesicht wie
jemand, dem beim Öffnen des Kühlschranks der Geruch
nach faulen Eiern in die Nase steigt, fand Alvirah. Die
beiden kenne ich doch, dachte sie und begann ihr
phänomenales Gedächtnis zu durchforschen. Er war
Carleton Rumson, der legendäre Broadway-Produzent,
und sie seine Frau Victoria, eine ehemalige
Schauspielerin, vor dreißig Jahren Zweite bei der Wahl
zur Miss America.
«Mr. Rumson!» Mit einem Lächeln, das ihre etwas
vorspringende, scharfe Kinnpartie weicher machte,
streckte sie ihm die Hand entgegen. «Ich bin Alvirah
Meehan. Wir haben uns in Cypress Point Spa in Pebble
Beach kennengelernt. Was für eine nette Überraschung!
Das ist mein Mann, Willy. Wohnen Sie hier?»
Rumson lächelte dünn. «Wir unterhalten eine
Zweitwohnung für den Bedarfsfall.» Er nickte Willy zu,
stellte dann widerwillig seine Frau vor. Die Fahrstuhltür
öffnete sich, als Victoria Rumson sie mit einem Lidzucken
zur Kenntnis nahm.
Kalt wie ’ne Hundeschnauze, dachte Alvirah, während
sie das makellose, wenngleich hochmütige Profil
registrierte, das hellblonde, zu einem straffen
Nackenknoten gesteckte Haar. Die langjährige Lektüre
von People, US, National Enquirer und Klatschspalten
hatte Alvirah zur unerschöpflichen Informationsquelle
über die Reichen und Berühmten programmiert.
Sie hielten gerade im vierunddreißigsten Stock, als
Alvirah intime Details zu Rumson einfielen. Er war als
Casanova berühmt. Das Geschick, mit dem seine Frau
seine Eskapaden übersah, hatte ihr den Spitznamen
«einäugige Vicky» eingetragen.
«Mr. Rumson», begann Alvirah, «Willys Neffe, Brian
McCormack, ist ein fabelhafter Dramatiker. Er hat gerade
sein zweites Stück fertig. Ich würde es Ihnen zu gern zu
lesen geben.»
Rumson blickte verärgert drein. «Mein Büro steht im
Telefonbuch», sagte er.
«Brians erstes Stück läuft zur Zeit Off-Broadway.»
Alvirah
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