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Der Mord zum Sonnntag

Der Mord zum Sonnntag

Titel: Der Mord zum Sonnntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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zielen, aber eine
Schußwaffe war in jedem Fall schneller als eine
Zuckerdose.
«Gehen Sie ins Wohnzimmer.» Als sie um den Tisch
herumkam, schnappte sich Creighton ihre Notizen samt
dem angefangenen Artikel und stopfte alles in die Tasche.
Creighton deutete auf den hölzernen Schaukelstuhl
neben dem Kamin. «Setzen Sie sich da hin.»
Alvirah ließ sich schwerfällig nieder. Neds Waffe war
immer noch auf sie gerichtet. Wenn sie nun den
Schaukelstuhl so weit vornüberkippte, daß sie auf ihn
katapultiert wurde? Ob sie sich dann auch rechtzeitig
absetzen könnte? Creighton langte nach einem schmalen
Schlüssel, der am Kaminsims baumelte. Er beugte sich
vor, steckte ihn in einen Zylinder, der in einen Ziegel
eingelassen war, und drehte ihn um. Aus dem Kamin
drang das zischende Geräusch von ausströmendem Gas. Er
richtete sich auf, zog aus einer Streichholzschachtel auf
dem Kaminsims ein langes Sicherheitszündholz, benutzte
den Ziegel als Reibfläche, blies die Flamme aus, warf es
dann auf den Rost. «Es wird kalt», sagte er. «Sie
beschlossen, Feuer zu machen, drehten den Gashahn auf,
warfen ein Streichholz hinein, aber es klappte nicht. Als
Sie sich hinunterbeugten, um das Gas abzudrehen und das
Ganze noch mal zu versuchen, verloren Sie das
Gleichgewicht und stürzten. Sie schlugen mit dem Kopf
auf die steinerne Einfassung und wurden ohnmächtig. So
eine nette Frau und so ein schrecklicher Unfall! Cynthia
wird außer sich sein.»
Gasgeruch erfüllte den Raum. Alvirah versuchte, den
Schaukelstuhl vorzukippen. Sie mußte es riskieren,
Creighton einen Kopfstoß zu versetzen, damit er die
Pistole fallen ließ. Zu spät. Ein Schraubstock schien ihre
Schultern zu umklammern. Das Gefühl, vorwärtsgezogen
zu werden. Ihr Kopf, der seitlich gegen Stein prallte. Als
sie das Bewußtsein verlor, nahm Alvirah den
widerwärtigen Gasgeruch wahr, der sich in ihren
Atemwegen ausbreitete.
«Da kommt Ned», erklärte Lillian gelassen, als die
Türglocke läutete. «Ich mache ihm auf.»
    Cynthia wartete. Lillian hatte immer noch nicht das
mindeste zugegeben. Ob sie Ned Creighton dazu bringen
konnte, sich selbst zu beschuldigen? Sie fühlte sich wie
eine Seiltänzerin, die auf einem schlüpfrigen Seil
zentimeterweise einen Abgrund zu überqueren suchte.
Wenn es ihr mißlang, wäre ihr Leben nicht mehr
lebenswert.
    Creighton betrat hinter Lillian das Zimmer. «Cynthia.»
Ein unpersönliches, aber nicht unfreundliches Nicken. Er
zog sich einen Stuhl an den Schreibtisch, auf dem Lillian
einen aufgeschlagenen Ordner mit Computerausdrucken
deponiert hatte.
    «Ich vermittle Cynthia gerade eine Vorstellung davon,
wie stark das Vermögen nach Entrichtung der Steuern
zusammengeschmolzen ist», teilte sie Creighton mit.
«Danach taxieren wir ihren Anteil.»
    «Was immer du Ned bezahlt hast, wird nicht in Abzug
gebracht, das stammte ja aus dem mir rechtmäßig
zustehenden Geld.» Cynthia bemerkte den wütenden
Blick, den er Lillian zuwarf. «Also bitte, unter uns müssen
wir drei doch kein Blatt vor den Mund nehmen», sagte sie
barsch.
    Lillian konterte kalt: «Ich hab’ dir doch erklärt, daß ich
dich am Nachlaß beteiligen wollte. Ich weiß, daß mein
Vater die Menschen bis zur Weißglut reizen konnte, so
daß sie nicht mehr wußten, was sie taten. Ich tue das, weil
ich Mitleid mit dir habe. Hier sind also die Zahlen.»
    In den folgenden fünfzehn Minuten zog Lillian eine
Aufstellung nach der anderen heraus. «Abzüglich der
Steuern und unter Hinzurechnung der Zinserträge würde
sich dein Anteil jetzt auf fünf Millionen Dollar belaufen.»
    «Und dieses Haus», warf Cynthia ein. Bestürzt
realisierte sie, daß Lillian und Ned von Minute zu Minute
sichtlich entspannter wurden. Beide lächelten.
    «O nein, das Haus nicht», protestierte Lillian. «Das
würde zuviel Klatsch verursachen. Wir lassen das Haus
schätzen, und ich zahle dir dann den Schätzpreis. Vergiß
nicht, Cynthia, ich bin überaus großzügig. Mein Vater
spielte mit Menschenleben. Er war grausam. Hättest nicht
du ihn umgebracht, wäre es jemand anders gewesen.
Deshalb tue ich das.»
    «Du tust es, weil du nicht in einem Gerichtssaal sitzen
und Gefahr laufen willst, wegen Mordes verurteilt zu
werden, das ist der wahre Grund.» Mein Gott, es ist
sinnlos, dachte Cynthia. Wenn ich sie nicht dazu bringen
kann, alles zuzugeben, ist es aus und vorbei. Dann hätten
Lillian und Ned morgen Gelegenheit, Alvirah zu
überprüfen.

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