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Der Mord zum Sonnntag

Der Mord zum Sonnntag

Titel: Der Mord zum Sonnntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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umschauen.
Als sie auf den Schreibtisch zuging, blickte der
sogenannte Empfangschef auf, ein bleichgesichtiger Typ
mit trüben Augen.
«Sie wünschen?»
«Einen Job. Bin ’ne gute Kellnerin.»
Er verzog mehr höhnisch als lächelnd den Mund. «Gut
brauchen Sie gar nicht zu sein, nur fix. Wie alt?»
«Fünfzig», schwindelte Alvirah.
«Wenn Sie fünfzig sind, bin ich zwölf. Scheren Sie sich
weg.»
«Ich brauche unbedingt ’nen Job.» Alvirah ließ nicht
locker. Sie hatte Herzklopfen, spürte Willys Gegenwart.
Sie konnte darauf schwören, daß er irgendwo in diesem
Hotel versteckt war. «Geben Sie mir eine Chance. Ich
arbeite auch von vier Tagen drei umsonst. Wenn sich nicht
bis – sagen wir, Samstag – rausstellt, daß ich die beste
Kraft bin, die Sie je gehabt haben, können Sie mich
rausschmeißen.»
Er zuckte die Achseln. «Was kann ich da schon groß
verlieren? Also kommen Sie morgen, Punkt vier. Wie
heißen Sie doch gleich?»
«Tessie», entgegnete Alvirah unbeirrt. «Tessie Magink.»
    Am Mittwochmorgen spürte Willy, wie die Spannung
zwischen seinen Entführern wuchs. Clarence verweigerte
Sammy rundweg die Erlaubnis, den Raum zu verlassen.
Als Sammy sich beschwerte, fuhr Clarence ihn an: «Nach
zwölf Jahren im Knast dürfte es dir ja nicht schwerfallen,
seßhaft zu bleiben.»
    Weit und breit kein Zimmermädchen, das anklopfte, um
sauberzumachen. Aber hier war anscheinend sowieso seit
einem Jahr nicht mehr geputzt worden, befand Willy. Die
drei Feldbetten standen nebeneinander, mit dem Kopfende
an der Badezimmerwand. Eine schmale Frisierkommode,
von der die Kunststoffolie sich ablöste, ein
Schwarzweißfernseher und ein runder Tisch mit vier
Stühlen vervollständigten die Einrichtung.
    Dienstagabend hatte Willy seine Wärter überredet, ihn
im Badezimmer auf dem Fußboden schlafen zu lassen.
Dort war mehr Platz als im Schrank, und wenn er sich
besser ausstrecken konnte, würde ihm auch das Gehen
leichter fallen nach der Übergabe des Lösegeldes. Die
Blicke, die sie bei diesem Vorschlag wechselten,
entgingen ihm keineswegs. Sie dachten gar nicht daran,
ihn laufenzulassen. Das hieß, ihm blieben etwa
achtundvierzig Stunden, einen Fluchtweg aus dieser
Mausefalle zu ersinnen.
    Um drei Uhr früh, als er Sammy und Tony im Duett
schnarchen und Clarence schwer, aber regelmäßig atmen
hörte, hatte Willy es geschafft, sich hochzurappeln und zur
Toilette zu humpeln. Das Seil, mit dem er am
Badewannenhahn festgebunden war, gewährte ihm gerade
genügend Spielraum, den Deckel des Wassertanks zu
fassen. Mit seinen gefesselten Händen hob er ihn an, legte
ihn aufs Waschbecken und langte in das schmutzige, mit
Rost durchsetzte Wasser. Binnen weniger Minuten war
das Tropfen lauter, häufiger und hartnäckiger geworden.
    Das nervtötende, andauernde Glucksen hatte Clarence
geweckt. Willy lächelte boshaft in sich hinein, als
Clarence geiferte: «Ich werd’ noch wahnsinnig. Hört sich
an wie ’n pissendes Kamel.»
    Als das Frühstück gebracht wurde, lag Willy bereits
wieder gefesselt und geknebelt im Schrank, diesmal mit
Sammys Kanone an der Schläfe. Vom Korridor hörte er
das leise Krächzen des offenbar alten Mannes, vermutlich
der einzige Zimmerkellner. Den alarmieren zu wollen,
wäre reine Zeitverschwendung.
    Am Nachmittag machte sich Clarence daran, die
Badezimmertür mit Handtüchern zu verpflastern, doch das
penetrante Geräusch rinnenden Wassers ließ sich nicht
blockieren. «Ich krieg’ wieder mal meine gräßlichen
Kopfschmerzen», knurrte er und ließ sich auf dem
ungemachten Bett nieder. Kurz darauf begann Tony zu
pfeifen. Sammy brachte ihn sofort zum Schweigen.
«Wenn Clarence einen von seinen Kopfschmerzanfällen
kriegt, heißt’s aufpassen.»
    Tony langweilte sich eindeutig. Seine Frettchenaugen
wurden glasig, als er sich vor den Fernseher hockte, die
Lautstärke auf ein Minimum drosselte. Willy saß neben
ihm, an den Stuhl gefesselt, den Knebel so weit gelockert,
daß er durch die fast geschlossenen Lippen sprechen
konnte.
    Am Tisch spielte Sammy unentwegt Solitär. Am
Spätnachmittag hatte Tony genug vom Fernsehen und
schaltete ab. «Hast du Kinder?» fragte er Willy.
    Wenn es für ihn irgendeine Hoffnung gab, lebend aus
dieser Bruchbude herauszukommen, dann mußte er auf
Tony setzen. Das war Willy klar. Bemüht, seine teils
verkrampften, teils erstarrten Gliedmaßen zu ignorieren,
erklärte er Tony, daß ihm und Alvirah zwar Kinder versagt

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