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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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Knochen, mein Kind.«
    Mit kindlicher Fröhlichkeit fragte ich, »Wann bringst du mir die Kleider, liebe Amme?« – »In sieben oder acht Tagen.«
    Als ich zurückkehrte, saß meine Schwiegermutter auf den Stufen des Vorraums und knabberte zusammen mit der Nachbarin Melonenkerne. Mein Sohn spielte am Beckenrand mit Wasser. Die Nachbarin wußte, daß ich sie nicht leiden konnte. Ich haßte diese schlampige, nachlässige Art und wie sie Melonenkerne knackten und tratschten. Sie grüßte, worauf ich abweisend antwortete und sie aufstand und fortging. Meine Schwiegermutter sah mich wütend an und fragte mit einem vielsagenden Lächeln, »Offenbar bist du heute gut gelaunt. Wo warst du denn?«
    »Ich war mit meiner Amme Stoff kaufen. Sie hat ihn mitgenommen, um Kleider für mich nähen zu lassen.«
    »Zum Wohlsein. Inschallah wirst du es zu einer Hochzeit oder Einladung tragen können.«
    Ich reckte den Hals und verkündete stolz, »Tatsächlich steht eine Hochzeit bevor. Die von Mansur Agha.«
    »Meine Glückwünsche. Mit wem?«
    Ich plusterte mich auf und sagte, »Mit der Tochter von Herrn Giti-Ara. Man sagt, ihr Vater sei ein gelehrter Mann.« Und da sie nicht reagierte, begriff ich, daß ich es ihr in ihrer eigenen Sprache beibringen mußte. Ich sagte, »Ihre Mutter ist eine Prinzessin.«
    Sie lächelte abschätzig, »Ach so, eine dieser abgetakelten Prinzessinnen?«
    Ihre spitze Zunge war sehr verletzend. Aufbrausend sagte ich, »Seit wann ist die Ehefrau von Giti-Ara eine abgetakelte Prinzessin? Die besten Kreise Teherans kennen sie. Wenn Sie sie nicht kennen, steht das auf einem anderen Blatt.«
    Ihre Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. Ich hatte ihre Schamlosigkeit und Streitsucht unterschätzt. Sie verdrehte den Kopf und sagte, »Nun gut, dann stimmt sicher irgend etwas mit dem Mädchen nicht«, und ging in die Küche.
    Sie hatte sich für meine Mißachtung der Nachbarsfrau gerächt. Wütend und verblüfft blieb ich stehen. Ich war eher wütend, weil sie richtig geraten hatte.Auf Drängen der Amme zog ich die Kleider an, die man mir genäht und die sie mitgebracht hatte, und drehte mich vor ihren Augen im Kreis. Die liebevolle alte Frau lobte mich überschwenglich, als sei ich wirklich ihr eigenes Kind. Sie pries meine Figur und mein Gesicht. Sie zog meinen Sohn in ihre Arme, küßte ihn mütterlich und sagte dann vorsichtig, äußerst vorsichtig und behutsam, um mich möglichst nicht zu kränken, »Maschallah, was für ein Junge. Süßer als Honig… Aber Mahbub Djan, mein Kind, versuch, nicht mehr schwanger zu werden…« Und fügte, als sie meinen heftigen Blick sah, sofort hinzu, »Schließlich ist es dafür jetzt noch viel zu früh. Der hier ist noch ein Kleinkind.«
    Ich sagte mir, das sind nicht ihre eigenen Worte. Es sind die Anweisungen meiner Mutter, die Gebote meines Vaters. Ich beschloß, möglichst schnell wieder schwanger zu werden. Meine Schwiegermutter betrat das Zimmer, um den Samowar zu holen, und sah das Kleid an mir. Verstimmt wandte sie den Kopf ab und ging hinaus. Sie sprach kein Wort, weder ein gutes noch ein böses. Meine Amme sagte, »Die ist doch neidisch auf dich!«
    »Nein, liebe Amme, was redest du da?«
    »Du kannst sagen, was du willst, ich hab doch mein Haar nicht mit Mehl weiß gefärbt.«
    Insgeheim war ich aufgebracht. Inzwischen verstand ich die Gesten und Blicke meiner Schwiegermutter sehr gut. Ich sagte mir, ›Ich soll verflucht sein, wenn ich noch einmal schwanger werde. Solange die Dinge so stehen, reicht mir dieses eine für alle Zeiten.‹ Ich war zum Spielball geworden. Von beiden Seiten zerrte man an mir. Auf der einen Seite meine Eltern, auf der anderen meine Schwiegermutter und mein Ehemann, und ich wurde in Stücke gerissen.
    Meine Menstruation sagte mir, daß ich auch in diesem Monat nicht schwanger geworden war.
    Seit ein, zwei Monaten hatte ich abgestillt. Wieder war meine Schwiegermutter ärgerlich. Ständig lag sie auf der Lauer in Erwartung der Nachricht meiner erneuten Schwangerschaft. Sie sagte, »Das kommt nur davon, daß du so schwach und kraftlos bist. Du mußt dich kurieren lassen.«
    Ich, die ich mich nicht sonderlich nach der Schwangerschaft sehnte, antwortete ihr gelassen, »Nein, Chanum, es ist keine Schwäche. Schließlich habe ich die ganze Zeit das Kind gestillt.«
    »Wir kennen dich auch aus der Zeit, als du nicht stilltest. Da kommt man wohlgenährt und kräftig aus dem Elternhaus und wird sechs Monate lang nicht schwanger.«
    Sie

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