Der Morgen der Trunkenheit
betrat hastig das Zimmer, »Steh auf, Mahbube. Wir haben Besuch bekommen. Es ist der Cousin mit seinem Sohn und seiner Tochter.«
Er war so durcheinander, als wäre der Großwesir unangekündigt eingetroffen. Eilig räumte er das Zimmer auf. Er hob die Kalligraphie-Utensilien auf und legte sie an ihren Platz. Ich zog mir den Gebets-Tchador über und bereitete mich vor, der Familie meines Mannes zu begegnen. Die Tür öffnete sich. Meine Schwiegermutter sagte, »Nein, bitte treten Sie ein. Bei Ihrem Leben, es geht nicht. Sie müssen zuerst eintreten.«
Zwei stämmige Männer, die denen ähnelten, die in Shemiran oder Gholhak im Garten meines Onkels oder meines Vaters arbeiteten, standen im Eiwan. Sie trugen alte, billige Anzüge und streiften ihre abgetragenen Schuhe ab, die vor lauter Lehm doppelt so schwer waren. Sie betraten das Zimmer und brachten die Gerüche von Regen, Fußschweiß, Pfeife und verbranntem Holz und den Geruch von schmutziger, vom Regen durchnäßter Kleidung mit sich herein. Sie waren verdreckt, ungehobelt und hünenhaft. Von ihrem Aussehen und ihrem Geruch wurde mir übel. Hinter ihnen betrat eine junge, schmächtige Frau das Zimmer. Sie war zwar nicht hübsch, doch konnte man sie auch nicht als häßlich bezeichnen. Sie hatte einen olivfarbenen Teint, kleine Augen, schmale Lippen und eine Stupsnase. Insgesamt wirkte sie reizvoll und anziehend. Ihr Tchador und ihre Kleidung waren nicht viel besser als der Aufzug ihrer Begleiter. Sie zog die Schuhe aus und betrat das Zimmer. Ich bemerkte, daß ihre Strümpfe geflickt waren. Sie tat mir leid. Ihr Kleid war vorn mit Fettflecken und den Spuren der Hände, die sie daran abgetrocknet hatte, beschmutzt. Sie roch wie ein feuchtes Küchenhandtuch. Dennoch, dies waren die Verwandten meines Ehemanns. Die Höflichkeit gebot, sie zu respektieren, was ich auch tat.
Der hünenhafte Mann sagte gedehnt, »Ssam aleikum.«
Ich sagte, »Bitte, treten Sie ein. Herzlich willkommen. Wie schön, daß Sie gekommen sind.«
Sein Sohn und seine Tochter traten mit ihm zusammen ein. Seine Tochter begrüßte mich mit einem freundlichen Lächeln. Ich erinnerte mich an den Tag der Brautwerbung von Ata od-Doules Sohn. Erinnerte mich an seine Mutter, seine Schwester und die hübsche Schwägerin mit ihren bezaubernden Augen und ihrem schüchternen und würdevollen Lächeln. Nun ja, den jungen Mann hatte ich nicht gewollt, es war ja kein Zwang!
Die Männer kannten ihre Grenzen. Augenblicklich waren sie von meinem würdevollen Benehmen beeindruckt. Wie Diener hielten sie die Hände vor sich gefaltet. Sie setzten sich gleich neben die Tür. Die Frau war dreist. Sie ging und setzte sich ans Kopfende des Zimmers und antwortete meiner Schwiegermutter, »Nein, Tantchen, nein. Bei Ihrem Leben, wir haben schon zu Abend gegessen. Wir lehnen doch nicht aus Höflichkeit ab!«
Dennoch ging ich mit meiner Schwiegermutter in die Küche und half ihr, ein Tablett mit Dingen, die vom Abendessen übriggeblieben waren, vorzubereiten. Sie sagte, »Nein. So ist es nicht gut. Geh und hol eine deiner Porzellanschüsseln. Ich muß vor denen mein Ansehen wahren.«
Ich brachte die Schüssel, kochte aber vor Zorn. Nicht, weil ich die Schüssel bringen mußte, sondern weil sie versuchte, mir diesen groben und gewöhnlichen Kerl als wichtig und respektabel zu präsentieren. Sie wollte mich zwingen, mich vor ihnen zu verbeugen.
»Mahbub Djan, nimm du heute abend das Tablett mit den Speisen. Schließlich bist du die Herrin des Hauses. Sie erwarten es von dir. Du mußt dem Cousin schmeicheln. Er ist schnell gekränkt.« Indem sie mich demütigte, besänftigte sie ihre eigenen Minderwertigkeitsgefühle.
»Chanum, was ist der Cousin von Beruf?«, fragte ich.
Hochmütig antwortete sie, »Weißt du das nicht? Er ist einer von denen, die voll im Geschäft sind. Im Basar der Konfektionsverkäufer hat er einen Laden. Er verkauft fertig genähte Kleider. Laß dich nicht davon täuschen, daß sein Haus in Varamin ist. Er hat auch ein Haus in der Stadt. Er hat drei Frauen in Zeitehe. Anfangs war er ein kleiner Pächter in Varamin. Aber du müßtest mal sehen, was er jetzt für ein Einkommen durch das Konfektionsgeschäft hat! Alle drei Ssigheh-Frauen hat er in seiner Stadtwohnung untergebracht. Er sorgt für ihren Unterhalt, gibt ihnen Geld für Brot, Fleisch, Tee undZucker. Und sie nähen für ihn. Eine besser als die andere. Seine Geschäfte laufen prächtig.«
»Bedrückt es seine Ehefrau nicht? Hat sie
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