Der Morgen der Trunkenheit
den Boden. Klagend warf sie die Haustür hinter sich zu undverschwand. Rahim wandte sich zu mir, »Bist du nun zufrieden? Ist es das, was du wolltest? Bitte schön!«
Er ging und setzte sich neben das Speisetuch. Er runzelte die Stirn. Nach einigen Minuten stand er auf, schleuderte mit einem Fußtritt eine Zuckerdose fort, die ihm im Weg stand, und kam in das Zimmer, in dem ich saß. Er nahm sein Jackett vom Nagel, griff sich das Geld aus der Wandnische und ging.
Ich brach in Tränen aus. Weinend wusch ich meinem Kind Gesicht und Hände und zog ihm die Kleidung an, die mir gefiel. Obwohl ich keine Kraft mehr in den Knien hatte, nahm ich das Tablett mit dem verfluchten Kalleh-Patcheh und leerte es. Ich putzte das Zimmer. Nahm mein Kind in die Arme und wiegte es mit Küssen und Streicheln in den Schlaf. Ich wusch das Geschirr ab. Das Haus war blitzblank sauber. Am Nachmittag wachte mein Kind auf. Ich spielte mit ihm und übte mit ihm Sprechen. Ich nahm es auf den Arm und ging mit ihm ein wenig auf der Gasse spazieren. Wir kehrten nach Hause zurück. Rahim war noch nicht zurückgekommen. Ich gab meinem Kind das Abendbrot und legte es schlafen. Rahim war immer noch nicht erschienen. Ich hatte mir einen Wecker gekauft. Er stand in der Wandnische über meinem Kopf. Es war zwei Uhr morgens, als er kam. Betrunken und angeschlagen. Er stand hinter der Tür, »Mahbub, bitte versöhnen wir uns miteinander.«
Ich gab keine Antwort. Er trat gegen die Tür. Ich sagte, »Mach keinen Lärm, das Kind schläft.«
»Zum Teufel, daß es schläft.«
»Hör auf damit, Rahim.«
Er fiel hinter der Tür zu Boden. Gedehnt sagte er, »Mahbub Djan, öffne die Tür«, und schlief ein.
Drei, vier Tage lang waren wir zerstritten. Wir sprachen kein Wort miteinander. Ich war jedoch froh, daß seine Mutter fortgegangen war, und hoffte, daß sie nicht zurückkommen würde. In der vierten Nacht kam Rahim nach Hause. Wieder hatte er getrunken. Das quälte mich mehr als alles andere. Mein Kind schlief, und ich stickte. Ohne ein Wort nahm er seine Kalligraphie-Utensilien und setzte sich neben mich. Ich beobachtete ihn heimlich. Unvermittelt fragte er, »Was soll ich schreiben?«
Ich antwortete nicht.
»Zier dich nicht so. Sag, was soll ich schreiben?«
»Was weiß ich? Was du willst.«
»Ich begehre dich.« Er nahm die Feder und schrieb Mahbube, Mahbube, Mahbube .
Unwillkürlich mußte ich lächeln, und mein tadelnder Blick wurde milder. Im Schein der Petroleumlampe raubten mir seine Augen erneut den Willen. Sein Lächeln hatte mir die Sinne verwirrt. Er streckte die Hand nach mir aus und sagte, »Mahbub!« Und ich ging wieder auf ihn zu.
»Mahbub Djan, ich muß meine Mutter holen.«
Wieder wurde ich traurig und sagte, »Nun, sie selbst wollte doch gehen.«
»Wohin soll sie gehen? Sie hat doch keinen eigenen Platz. Bestimmt ist sie nach Varamin zum Haus des Cousins gegangen. Sie wird zwei, drei Tage dort zu Gast sein, aber sie kann doch nicht ewig dort bleiben. Ich muß sie abholen gehen.« Ich blieb still. Er umarmte mich und sagte, »Macht es dich traurig?«
Wenn er mich umarmte, machte mich nichts traurig. Wenn er liebevoll war.
»Nein, weshalb? Geh und hol sie.«
Wieder trat diese Frau in unser Haus ein. Ich sagte mir, nun gut, es war meine eigene Schuld. Ich habe sie nicht in Frieden essen lassen. Ich suchte grundlos nach Vorwänden. Rahim hatte recht, ich hatte ihm das Vermögen meines Vaters unter die Nase gerieben. Er hat recht, Frau bleibt Frau, und Mann bleibt Mann. Ich hatte ihn vor seiner Mutter beschämt. Plötzlich tat er mir leid. Ich schämte mich für mein Benehmen. In derselben Nacht sagte ich, nachdem ich mich neben ihm ausgestreckt hatte, »Rahim Djan, es war meine Schuld. Du mußt mir verzeihen.« Er lachte und verzauberte mich erneut.
Es war wieder der Monatserste. Die Amme kam. Meine Schwiegermutter war zum Einkaufen ausgegangen. Meine Amme sagte, sobald sie mich sah, »Mein Kind, du bist ganz blaß. Was ist denn geschehen?«
»Nichts, liebe Amme.«
»Lüg mich nicht an. Ich wäre keinen roten Heller wert, wenn ich dich nicht kennen würde. Hattest du mit Rahim Agha Streit?«
»Nein, beim Leben meines Agha Djan.« Jetzt, wo ich bei seinemLeben geschworen hatte, mußte ich die Wahrheit sagen. »Nun ja, wir haben uns gestritten. Aber das ist schon länger her. Sag es um Gottes willen nicht meiner Chanum Djan! In letzter Zeit ist Rahim etwas übellaunig gewesen.«
Die Amme sagte protestierend, »Wieder sagt sie,
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