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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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hörte nicht auf damit und ließ mich nicht in Ruhe. Ich wußte, daß ich ihrer spitzen Zunge nicht gewachsen war. Dennoch erwiderte ich, »Vielleicht liegt die Schwäche bei Rahim.«
    Sie stemmte ihre Hände in die Hüfte, »Pah! Was noch? Wo ist dieses eine denn hergekommen? Almass Chans Sohn soll schwach sein? Damals, als Almass Chan seinen Säbel schwang, hielt er ein ganzes Viertel in Atem. Ich wurde schon schwanger, wenn er an mir vorbeiging. Daß fast alle meine Kinder gestorben sind, ist eine andere Angelegenheit.«
    Allmählich erriet ich aus den Worten dieser Frau, deren Schwiegertochter ich geworden war, den Charakter dieser Familie. Ich begriff und wollte es nicht wissen. Jeden Augenblick kam ein neuer Kummer hinzu. Langsam begriff ich den Unterschied von edler und niederer Herkunft. Aber ich sagte mir, Rahim ist anders. Er ist gut und wird noch besser werden. Es wird sich alles regeln.
    Ich war vom Hammam zurückgekehrt. Ich zog mein Kleid aus Crêpe de Chine an, das ich Rahim noch nicht gezeigt hatte. Ich kämmte mein Haar und schminkte mich. Legte Parfüm auf. Meine Schwiegermutter, die am Speisetuch für das Abendessen saß und auf Rahims Rückkehr wartete, musterte mich heimlich mit einem neiderfüllten Blick.
    »Gute Reise. Wohin des Wegs? Hoffentlich zu einem guten Anlaß.«
    »Nirgendwo hin. Hier, im Haus.«
    Ich war gutgelaunt und munter. Ich war hübsch geworden. Länger und schlanker als früher. Ich war voll entwickelt und wußte es selber. Bei der Vorstellung von Rahims Reaktion wurde ich ganz schwach. Am Neid seiner Mutter erkannte ich, wie hübsch ich geworden war, und genoß es.
    »Ist diese ganze Aufmachung für zu Hause?«, fragte sie.
    Ich lachte, »Na klar, muß man denn nur zum Ausgehen adrett sein? Diese ganze Aufmachung ist für meinen Ehemann.«
    Sie preßte vor Eifersucht und Mißgunst ihre Lippen aufeinander und sagte anzüglich, »Wallah, wenn ich mich kämmte oder meineWangen mit Wunderblumen rot färbte, bekam ich von meiner Schwiegermutter jede Menge Beschimpfungen zu hören. Sie sagte, ›Du hast Flausen im Kopf‹, und ließ nicht locker, ehe ich nicht von meinem Mann eine ordentliche Tracht Prügel bezogen hatte.«
    Ungerührt sagte ich, »Ihre Schwiegermutter hat falsch gehandelt«, und nestelte weiter vor dem Spiegel an mir herum.
    Sie verdrehte den Hals und fügte hinzu, »Ich weiß nicht… vielleicht konnte ich es nicht. Vielleicht war ich für solche Tricks nicht schlau genug.«
    Rahim kehrte nach Hause zurück, und sie verstummte sofort. Ich weiß nicht, ob aus Angst oder aus Berechnung.
    Rahims Lächeln und sein begehrender Blick verrieten mir, daß ich erfolgreich war. Nach dem Abendessen setzte er sich neben mich. Seine Mutter hob meinen Sohn hoch, der eingeschlafen war, und nahm ihn mit sich. Seitdem ich meinen Sohn abgestillt hatte, hatte sie beharrlich das Kind von mir getrennt und ließ es nachts bei sich schlafen. Nicht, daß es mich bekümmerte. Ich war es gewöhnt, eine Amme zu haben. In Familien wie der meinigen schlief ein Kind nachts selten bei seiner Mutter. Die Amme war wie eine zweite Mutter. Doch das Problem bestand darin, daß meine Schwiegermutter meinen Sohn gegen mich aufwiegelte. Sie versuchte, ihn so eng an sich zu binden, daß er niemals von seiner Großmutter getrennt leben könnte. Daß ich gezwungen war, mich in das Zusammenleben mit ihr zu fügen. Als sie hinausging, schob Rahim die Kalligraphie-Utensilien fort, rückte näher und fragte, »Was ist geschehen, daß deine Augen es wieder auf mich abgesehen haben?« Ich lachte. Erneut fragte er, »Mahbub, was tust du nur, daß du von Tag zu Tag hübscher wirst?«
    Er hatte sich auf die Linke gestützt und sich zu mir hinüber gebeugt. Ich sagte, »Nichts. Ich habe nur einen guten Ehemann.«
    »Nur das?«
    Sein Blick, sein Lächeln und sein attraktives Wesen zogen mich zu ihm hin. Ein feiner, heftiger Regen fiel. Ich schloß meine Augen. Der Türklopfer ertönte. Zu dieser Nachtzeit? Rahim stand widerwillig auf, und ich zog mich widerwillig von ihm zurück. Er nahm das Windlicht und ging hinaus. Er öffnete die Haustür. Ich hörte Begrüßungsworte und Geplauder, die Schritte meiner Schwiegermutter und dann ihre Willkommensgrüße.
    »Wunderbar, herzlich willkommen. Es ist uns eine Ehre. Na, so etwas, daß wir Sie hier begrüßen dürfen! Wie kommt es, daß Sie sich hierher verirren? Sieht man Sie auch mal wieder?«
    Ich hörte die grobe Stimme eines Mannes. Sie sprachen durcheinander. Rahim

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