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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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gestiegenen Stoffpreise unddarüber, daß eine der Ssigheh-Frauen Stoffreste unterschlagen und eine Patchwork-Decke genäht hatte. Darüber, daß es dem Cousin weitaus besser gehen würde, wenn die Frauen anständig und mit voller Kraft arbeiteten. Über die Arbeit seines Sohns Karam auf dem Feld von Allah-yar Chan.
    Es war Zeit zu Bett zu gehen. Meine Schwiegermutter sagte, »Mahbub Djan, ich werde heute nacht das Kind zu Ihnen bringen, damit es in Ihrem Zimmer schläft. Ich selber schlafe in der Vorratskammer. Und Sie, Cousin, schlafen zusammen mit Karam in meinem Zimmer. Ach, was redest du da, Koukab Djan? Was für Umstände? Es ist euer eigenes Haus. Für Koukab Chanum breiten wir das Bettzeug hier im Salon aus.«
    Der Cousin mit seiner riesenhaften Statur erhob sich. Mir war, als füllte er die Hälfte des Raums aus. Grob und fordernd fragte er, »Nun gut, wo ist Ihr Zimmer? Wohin sollen Karam und ich gehen?«
    Keine Spur der üblichen Höflichkeitsfloskeln. Er kannte sie gar nicht. Mit der rechten Hand raffte er die Beine seiner weiten Hose über den Knien und ging breitbeinig voran. Wie eine Frau, die ihren Rock schürzt, damit er sich nicht zwischen ihren Beinen verfängt.
    Der knapp vierzehnjährige Karam, der seit seinem Eintreten nicht einmal gegrüßt hatte, trottete wie ein Kalb hinter seinem Vater her. Rahim und seine Mutter überboten sich in Eilfertigkeit. Sie überhäuften den Cousin mit Höflichkeitsbekundungen. Ich verstand nicht, was ihnen an diesem Mann so verehrens- und bewundernswert erschien. Ich fand keine Erklärung außer der, daß sie alle vom selben Schlag waren. Es war der sichtbare Ausdruck der Welt, in der mein Ehemann aufgewachsen war. Eine Welt, die ihn geprägt hatte, in der zu leben er genoß und in der er sich wohl fühlte. Sie waren genau jene Mischpoke, von der meine Mutter sagte, sie würde nicht zu uns passen. Von der Nozhat sagte, sie würde sich nicht für uns eignen. Genau der Pöbel, von dem mein Vater gesprochen hatte. Das war die andere Seite der Medaille. Das war Rahims Naturell. Der Stoff, aus dem er geformt war. Und ich hatte ihn begehrt und begehrte ihn noch immer.
    Rahim, Koukab und ich blieben zurück. Rahim sagte, während er auf das kleinere Schlafzimmer, zuging, »Ich bringe dir gleich eine Matratze.«
    Als sähe er mich gar nicht. Die Frau verdrehte schamlos den Halsund sagte, »Ach, ich fürchte, Sie werden davon Hüftschmerzen bekommen.«
    Rahim wandte sich um. Wieder erschien das Lächeln auf seinem Gesicht. Mit wirrem Haar, der Blick eindringlich und entzückt, und mit offenstehendem Hemdkragen. Er musterte sie, die inzwischen den Zipfel ihres Schleiers hatte fahren lassen, und sagte, »Wie sehr du dich um meine Hüfte sorgst!«
    Sie lachte und sagte, »Sehr.«
    Ich betrat hinter Rahim das Zimmer und schloß die Tür. Streitsüchtig fragte ich, »Was soll das heißen, Rahim? Wir haben doch kein Bettzeug.«
    Ich wies mit der Hand auf unser Bettzeug. Sein verzückter Blick, der sich beim Betreten des Zimmer verdunkelt hatte, fiel in meine Augen, »Und was ist das da?«
    »Das ist doch unser eigenes!«
    »Na und. Sie wollen es ja nicht mitnehmen.«
    »Wo sollen wir dann selbst schlafen?«
    »Auf dem Boden. Es ist doch nur für eine Nacht, nicht für Tausende. Schließlich ist das meine Familie. Sie sind in meinem Haus zu Gast. Ich komm doch nicht aus dem Stall!«
    »Aber…«
    »Nichts aber. Stört es dich? Ich gehe sofort und sage ihnen, ›Steht auf und geht nach Hause. Meine Frau rückt das Bettzeug nicht heraus.‹«
    Er machte Anstalten. Ich lief ihm nach und packte ihn am Arm, »Rahim!«
    Mit einer heftigen Bewegung riß er sich los. »Laß mich in Ruhe. Kann ich in meinem eigenen Haus nicht einmal zwei Leute zu Gast haben?«
    »Tu das nicht, Rahim, das gehört sich nicht. Senk deine Stimme. Bewahr das Ansehen. Es wird die Gäste beleidigen. Nun gut, komm und nimm dieses Bettzeug mit.« Ruhig wandte er sich um und trug gekränkt alle drei Garnituren einzeln hinaus. Meine Satin-Bettwäsche, die bestickten Bettlaken. Er nahm sie mit und breitete sie im Zimmer am Ende des Hofs für seinen ungehobelten Cousin und dessen über und über mit Kot und Dung beschmutzten Sohn aus. Zweifellos würde mein Bettzeug morgen voller Wanzen sein. Ich war mir nicht sicher, ob sie wußten, wie man in solch einem Bettzeug schlief!
    Die dritte Garnitur breitete er mitten im Salon aus und warf meine rosa Satin-Bettdecke darüber. »Bitte schön, Koukab Chanum. Sie müssen

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