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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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denn mittags?«
    »Wo ich war? Bei der Arbeit. Ich war doch nicht im Delgosha-Park!«
    »Du bist doch mittags nicht im Geschäft geblieben?«
    »Hast du es vergessen? Wann bist du mich denn damals besuchen gekommen? War es nicht um ein Uhr mittags? Seit du meine Frau bist, hast du mich daran gehindert, mittags ins Geschäft zu gehen.«
    »Weshalb schläfst du bis zum Mittag? Steh doch früher auf, um deine Arbeit zu erledigen, und komm statt dessen mittags heim.«
    »Wozu heimkommen? Damit ich dich sehe, wie du entweder würgst oder wie ein Trauerkloß herumhockst?«
    »Nun, ich bin eben schwanger. Mir geht es nicht gut.«
    »Ich hab dich auch erlebt, als du es nicht warst… Nicht mal mit sieben Man Honig bist du zu genießen.«
    »Du hast mich über.«
    »Ich hau dir eine runter, paß nur auf! Schikanier mich nicht so. Spielt sich auf als meine Gouvernante!«
    Wenn ich wieder allein war, weinte ich. Mahbub, siehst du nun, was du dir eingebrockt hast? Siehst du, was du verbrochen hast? Rahim besaß keinen Funken Edelmut und Mitgefühl. Nicht den geringsten Anstand noch Mannhaftigkeit.
    Ich war gerade erst einen Monat schwanger. Bereits frühmorgens hatte ich mein Bündel für das Hammam gepackt. Meine Schwiegermutter fragte, »Wohin?«
    »Ich will ins Hammam. Komm, mein Sohn. Ich werde ihn mitnehmen.«
    »Nein, das geht nicht.« Sie zog das Kind von meiner Hand fort und nahm es auf den Arm, »Almass geht mit mir. Sein Vater hat verboten, daß er mit dir geht.«
    Erschöpft vom morgendlichen Erbrechen, der Niedergeschlagenheit, der anstrengenden Schwangerschaft und meinen Qualen, machte ich mich auf den Weg und verließ das Haus. Mittlerweile schämte ich mich nicht mehr, mit dem Bündel unter dem Arm ins Hammam oder einkaufen zu gehen, die engen Gassen zu passieren und mit diesem und jenem zu feilschen. Ich hatte mich daran gewöhnt. Nach und nach versank ich in dem Morast, der sich Ehe nannte. Gleich, welchen Weg ich einschlug, ich konnte Rahim keine Manieren beibringen. Ich wünschte mir, daß er sich entwickelte, Fortschritte machte und sich einen Namen erwarb. Aber er wollte nicht. Er quälte mich, und ich litt. Das war meine Ehe. Ich ging und war in Gedanken versunken. Trotz meines erbärmlichen Zustands ertrug ich den Dampf des überfüllten Hammam. Ich erreichte die Garderobe und setzte mich. Kleidete mich an und band mir das weiße Baumwollkopftuch um, damit es die Feuchtigkeit meiner Haare aufsog. Dann wurde mir plötzlich wieder übel. Ich konnte mich nicht mehr beherrschen und winkte einer vorbeigehenden Badewärterin, die sich einen Tchador über das Badetuch geworfen hatte. Sie bemerkte meinen Zustand und brachte mir eine Schüssel. Dann lachte sie und sagte, »Meinen Glückwunsch. Hast du Heißhunger?«
    Ich nickte bestätigend. Sie lachte wieder.
    »Zu diesem fröhlichen Anlaß muß es Kuchen geben!…«
    Bekümmert sagte ich, »Für mich ist das doch kein fröhlicher Anlaß. Es ist ein Unglück.«
    »Weshalb? Gott behüte. Verstehst du dich nicht mit deinem Ehemann?«
    Plötzlich schossen mir die Tränen hervor. Ich hatte eine gefunden, der ich mein Herz ausschütten konnte. Vorsicht war nicht nötig, da es nicht meine Schwiegermutter war. Nicht nötig, vor ihr ein künstliches Lächeln aufzusetzen, da es nicht meine Amme war. Da meine Chanum Djan es nicht hören würde. Da sie es nicht erfahren und sich grämen würde. Kein Grund mehr, Rücksicht zu nehmen.Wie gut hatte diese Frau, die mich nicht kannte, meinen Kummer erkannt! Wie treffend hatte sie alles mit einem Satz ausgedrückt! Ihr konnte ich mein Herz ausschütten. Ihr konnte ich mich anvertrauen und darauf setzen, daß es am nächsten Morgen keinen Aufruhr gab. Die Tränen flossen unaufhörlich.
    »Quält er dich?«
    Ich nickte.
    »Schlägt er dich?«
    »Ja.«
    Ich schluchzte. Ich, Bassir ol-Molks Tochter, heulte wie ein Kind, das sich bei seiner Mutter über seine Spielkameradin beschwert, und wischte meine Tränen mit dem Zipfel des Kopftuchs fort. Vergebens, sie tropften nicht, sie überfluteten mich.
    »Warum hast du es dann zugelassen, wieder schwanger zu werden?«
    »Was sollte ich tun, ich kann doch nichts dafür! Wenn du wüßtest, wie viele schwere Dinge ich hebe! Ich fülle einen drei Man schweren Topf mit Wasser und trage ihn die Treppe rauf und runter. Ich esse Borretsch, damit es blutet. Ich springe von ganz oben. Was immer man mir geraten hat, habe ich getan. Jeden Trick und Kniff habe ich ausprobiert. Alles, was mir in die

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