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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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schmachtenden Augen und sagte, »Dir wird doch von mir übel!«
    Mit einem unverfrorenes Grinsen stellte er seine Zähne zur Schau. Ich lächelte mühsam, »Nun ja, das ist halt der Heißhunger. An einem Tag mag man es nicht, und am nächsten verlangt es einen danach.«
    Meine Schwiegermutter schüttelte angewidert den Kopf, nahm das Kind unsanft auf den Arm und sagte, während sie das Zimmer verließ, »Eine Schande ist das! Diese Frau hat überhaupt kein Schamgefühl.«Ich schnürte das Bündel für das Hammam. Ich nahm ein zusätzliches Kleid, ein paar Stoffreste, einen zusätzlichen Tchador und alles Geld mit, das im Haus war. Es waren an die siebzig Tuman. Die Amme war gerade erst gekommen und hatte das Monatsgeld gebracht. Der Rest stammte aus meinen Ersparnissen. Seit langem schon hatte mir Rahim kein Geld mehr für den Unterhalt gegeben. Gelegentlich ging er auch an die Truhe und nahm mein Geld. Hätte er das nicht getan, hätte ich sehr viel mehr haben müssen. Ich versteckte das Geld in meinem Bündel, zog mir den Tchador über und machte mich auf den Weg. Wie gewohnt, tauchte meine Schwiegermutter vor mir auf, »Wohin?«
    Aufgrund von Rahims Befehl mußte ich nach jener vergeblichen Auseinandersetzung stets den Grund für das Verlassen des Hauses angeben.
    »Ich gehe ins Hammam.«
    Sie biß sich erstaunt in die Hand, »Wie das? Du warst doch erst vor drei Tagen im Hammam.«
    Ich lachte aufreizend und antwortete dreist, »Nach dem Wie müssen Sie Rahim fragen. Es ist doch nicht meine Schuld!«
    Sie zuckte zusammen und trat beiseite, »Du bist wirklich schamlos geworden, Mahbube.«
    Wie ein Vogel schlüpfte ich aus dem Käfig.
    »Hast du mit ihr gesprochen? Komm, laß uns gehen.«
    »Warte, ich hab noch eine Kundin. Ich muß sie abfertigen.«
    Ich hatte es eilig und sagte, »Laß sie. Ich geb dir das Geld dafür.«
    »Nein, geht nicht. Sie ist eine von den Reichen. Wenn ich nicht zu ihr gehe, nimmt sie sich eine andere Badewärterin. Ich muß sie nur noch abschrubben. Ich erledige es und komme.«
    Ich setzte mich ins Hammam und wartete. Ich war froh, daß ich sein Kind los werden würde. Ich hatte mein Gesicht verschleiert und zitterte dennoch am ganzen Körper. Ich befürchtete, daß jemand kommen und mich erkennen würde. Die Badewärterinnen kamen und gingen und sahen mich schief an. Schließlich kam Roqieh. Sie trug ein altes, geflicktes Kattunkleid und hatte ihren feuchten Tchador um sich gewickelt. Sie sagte, »Mach schnell. Es ist spät geworden.«
    »Wir nehmen eine Kutsche.«
    Wir fuhren durch die verwinkelten Gassen und näherten uns der Südstadt. Die Häuser wurden ärmlicher und bescheidener und standen dichter beieinander. Die meisten Menschen sahen ungepflegt aus. Sie hatten ihre eigene Sprache. Manche der jungen Männer hatten die Hacken ihrer Schuhe heruntergetreten, spreizten die Arme vom Körper ab und gingen breitbeinig. Ihre Knie waren leicht gekrümmt, und sie wippten beim Gehen mit dem Körper, als würden sie auf Sprungfedern treten. Andere hatten sich das Jackett über die Schultern geworfen und trugen ein Taschentuch in der Hand. Je näher wir dem Süden Teherans kamen, um so deutlicher änderten sich Verhalten und Sitten. All das war mir fremd, dennoch fuhr ich mit Begeisterung.
    Ich fror. Die Kutsche hielt auf Roqiehs Anweisung an der Einmündung einer Gasse. Wir stiegen aus. Ich bekam keine Luft und zitterte. Ich atmete tief durch. Roqieh fragte, »Hast du Angst? Falls du es bereust, kehren wir um.«
    Es schien, als würde auch sie sich fürchten. Ich sagte, »Nein, nein. Geh du vor.«
    Ich kann mich erinnern, daß es eine blaue Holztür war. Roqieh ergriff den Türklopfer und klopfte. Sie rief, »Golin Chanum!«
    Eine Frau sagte, »Komm rein. Tür is’ offen.«
    Wir stiegen die Stufen hinab und betraten einen Hof mit Backsteinpflaster. Das Haus war klein und ärmlich. Uns gegenüber befand sich ein Eiwan, dessen Dach von zwei blau bemalten Stucksäulen getragen wurde. Er hatte zwei Türen, die je in ein Zimmer führten. An der Hofmauer bei der Küche befand sich ein Becken, wenig größer als ein Waschbottich. Eine rund dreißigjährige Frau, die ein geblümtes langärmliges blaues Kleid und ein Kopftuch trug und insgesamt sauber und ansehnlich wirkte, steckte den Kopf aus der einen Eiwantür und winkte uns mit der Hand. Als ich eintreten wollte, sagte sie, »Nicht hier.«
    Sie zeigte auf ein neben der Küche am Hof gelegenes Zimmer, das schmutzig und dunkel war. So groß wie

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