Der Morgen der Trunkenheit
Pfeifenkopf und läßt es in Rauch aufgehen.« Sie rückte etwas näher. »Übrigens, hatte ich dir das noch nicht erzählt?«
»Was hast du mir nicht erzählt?«
»Daß Mansur Agha geheiratet hat?«
»Er hat doch schon vor langer Zeit geheiratet. Du hast mir auch schon erzählt, daß er einen Sohn hat.«
Ungeduldig schüttelte sie den Kopf, »Ach wo. Diese Frau meine ich doch nicht. Er hat noch eine geheiratet. Er hat Giti-Aras Tochter eine Nebenfrau beschert. Sie heißt Ashraf os-Sadat. Ihr Vater war ein angesehener Mann, ein Beamter, ist aber verstorben.«
Ich sperrte vor Erstaunen den Mund auf, »Wirklich, liebe Amme?«
»Jahaa… Es wird zwei, drei Monate her sein. Ich hatte vergessen, es dir zu erzählen.«
Verblüfft sagte ich, »Das sieht Mansur gar nicht ähnlich! Was macht seine Frau jetzt?«
»Der arme Mansur. Er selbst wollte es doch nicht, Nimtadj Chanum hat ihn dazu gezwungen. Sie hat Mansur Agha gesagt, ›Bei Gott, du mußt noch eine Frau heiraten.‹ So beharrlich Mansur auch erklärt hat, ›Bei Gott und beim Propheten, ich will keine Frau‹, hat sie gesagt, ›Nein, das geht nicht. Du mußt heiraten. Ich möchte meine Zeit nur mit Andacht, Gebet und Fasten verbringen. Ich kann Ihnen nicht die gebührende Frau sein.‹ Die Ärmste ist dochpockennarbig! Sie hat es so gesagt, damit sie nicht an Achtung verliert. Schließlich hat sie sich selbst aufgemacht und Ashraf Chanum gefunden und für Mansur Agha geworben. Ein kleinwüchsiges, hellhäutiges, rundliches Mädchen. Nimtadj Chanum ist nun die Große und Ashraf die Kleine Chanum. Anfangs hat niemand Ashraf ernst genommen. Die Hauptfrau war Nimtadj Chanum. Aber sie hatte Pech, die junge Frau wurde schwanger. Daß es ja unter uns bleibt!… Die junge Frau hat sich als eine ganz Durchtriebene erwiesen. Man sagt, daß sie und Nimtadj Chanum nicht miteinander auskommen. Sie hat gesagt, ›Weshalb muß Nimtadj Chanum über alles entscheiden und die Erste sein? Soll sie die Lieblingsfrau sein, wo ich so hübsch bin?‹ Mit einem Wort, sie hat dem armen Mansur Chan das Leben zur Hölle gemacht. So oft er sagt, ›Ich hatte dir doch von Anfang an meine Bedingungen genannt‹, sagt sie, ›Das interessiert mich nicht. Nimtadj hat ihren Platz, und den will ich auch.‹ Sie hat ihrem Ehemann das Leben sauer gemacht. Und jetzt ist sie fast im dritten Monat schwanger. Mansur Chan sagt ständig zu Nimtadj Chanum, ›Es war deine Schuld, daß dieses Unheil über mich hereingebrochen ist.‹«
»Nun, und was sagt Nimtadj dazu?«
»Nichts. Sie ist stumm wie ein Fisch. Sie ist so damenhaft, daß du es dir nicht vorstellen kannst. Genau diese Großmütigkeit ist es, die Mansur Agha die Lippen verschließt. Nur einmal hat sie deiner Chanum Djan ihr Herz ausgeschüttet und gesagt, ›Ich schäme mich vor Mansur. Dieses Früchtchen habe ich ihm angeschafft.‹«
Also hatte es Mansur auch nicht besser getroffen als ich. Bedauernswerter Cousin! Ich empfand Schadenfreude und war erleichtert. Ich wußte nicht, weshalb ich vor Wonne zerfloß.
Erneut kam der Sommer. Die Sonne strahlte auf alles herab und ließ den Geruch von trockenem Holz aufsteigen. Der Geruch des Holzes stieg zusammen mit dem Geruch der Türfarbe auf. Wieder roch Rahim nach Holz. Wieder wurde mir vom Geruch der Schminke schlecht. Wieder hatte meine Schwiegermutter Ghormeh Ssabzi gekocht. Auch diesen Geruch konnte ich nicht leiden. Wieder war ich müde und lustlos. Wieder wurde mir vom Frühstück übel. Ich setzte mich an das Fenster, das wir wegen der Sommerhitze offenstehen ließen. Die Matten aus Schilfrohr hingen herab. Sie rochennach Staub. Ich atmete tief durch. Ich setzte mich neben das Becken und erbrach mich. Ich sehnte mich nach Granatäpfeln. Rahim lachte. Meine Schwiegermutter sagte, »Ich gratuliere.« Es schien, als würde der Himmel in seiner gesamten Schwere über mir einstürzen. Um Gottes willen, bloß nicht. Siehst du nun? Ich war wieder schwanger!
Ich würde es der Amme nicht sagen. Ich wollte den Kummer meiner Eltern nicht vertiefen. Ich hatte Kummer genug. Rahim war noch forscher geworden. Er wußte nur zu gut, daß ich ihm hilflos ausgeliefert war. Ach! Wo blieb der Segenswunsch meines Vaters? Ich war diesem Ungeheuer hilflos ausgeliefert. Von Tag zu Tag wurde er ekelhafter. Er ging morgens nicht mehr zur Arbeit, und mittags kehrte er nicht heim. Nachts roch sein Mund nach Wein. Ich fürchtete, daß er am Ende auch noch opiumsüchtig werden würde.
»Rahim, wo warst du
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