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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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eine kleine Vorratskammer. Sein Gemäuer verströmte den Geruch von Opium. Wir traten ein. Golin Chanum ging hin und her und sprach mit einer alten Frau, die sich in Hof oder Keller aufhielt, laut über die täglichen Aufgaben. Sie befahl ihr, einen Damkoni auf den Topf zu setzen, sobald das Wasser des Dampocht verkocht war. Ich fühlte mich unwohlund hatte den Eindruck, fremde Menschen in ihrem Haus zu stören. Schließlich betrat sie das Zimmer und sagte lachend zu mir, »Tja, die Suppe, die de dir einbrockst, mußte halt auslöffeln.«
    Sie besaß einen Goldzahn. Plötzlich zuckte ich zusammen. Ich hatte den Eindruck, daß sie nicht mit anständigen Frauen zu tun hatte. Sie starrte mich an und sagte zu Roqieh, »Hoppla, das ist doch ’ne Orntliche!« Und mich fragte sie, »Haste ’nen Mann?«
    »Ja.«
    »Ich sag’s dir, ich hab keine Lust auf sein Gemecker! Daß er mir ja keine Mätzchen macht!…«
    Roqieh fiel ihr ins Wort, »Ihr Mann hat sie verlassen und hat sich eine Vierzehnjährige zur Frau genommen. Sei unbesorgt, es wird nichts passieren.«
    »Wieviel Knete haste?«
    »Wieviel willst du?«, fragte ich.
    »Nu ja, unter dreißich, vierzich Kröten tu ich’s nicht.«
    Roqieh seufzte betreten auf. Ich sagte, »Geht in Ordnung.«
    Als sie meinen ängstlichen Blick sah, sagte sie, »In Ornung? Leg dich hin, Hübsche. Wenn de Angst hast, iß’n Körnchen Opium, damit du nix spürst.«
    Die Vorsorge kannte ich von der Hebamme meiner Mutter, die auch meinen Sohn zur Welt gebracht hatte. Ich gab ihr die sauberen Stoffreste, die ich mitgebracht hatte, und legte mich nach ihrer Anweisung auf eine große Wachsdecke, auf der sie ein Tuch ausgebreitet hatte. Die Ausstattung und ihre Vorbereitungen zeigten, daß sie in dieser Arbeit Erfahrung besaß und keine Anfängerin war. Sie verließ das Zimmer und kehrte mit einer Schüssel Wasser zurück. Sie legte mir etwas in die Hand und sagte, »Iß.«
    »Was ist das?«, fragte ich.
    »Na, Opium, halt. Iß, damit du keine Schmerzen hast.«
    Ohne zu überlegen aß ich das Opium. Abwartend setzte sie sich und unterhielt sich mit Roqieh. Mitten im Reden fragte sie mich immer wieder, »Biste nich schläfrig?«
    Ich machte mir Sorgen um Zuhause. Es war gegen Mittag. Langsam wurde ich schläfrig. Ich sah, daß sie eine Hühnerfeder in der Hand hielt. Kraftlos fragte ich sie, »Was ist das?«
    Spöttisch hielt sie sie hoch und sagte, mich nachahmend, »Na, was is das? Kein Drachen, ’ne Hühnerfeder.«
    Ein Schmerz durchfuhr mich, und ich jammerte. Ihre Hand hielt inne, »Was is, Prinzessin? Ich hab doch noch nix gemacht!«
    Ich spürte den Schmerz, war jedoch zu matt, als daß ich hätte schreien können. Ich sagte mir, ›Gleich wird es vorbei sein, gleich.‹ Und Roqieh sah zu und stöhnte auf.
    Golin Chanum sagte, »Nu ja, es klebt am Fleisch. Is ja nicht mit ’nem Kleber angeklebt. Heb deine Hüfte nicht. Ich hab dir gesagt, halt still. Heb deine Hüfte nicht.«
    Der Schmerz überwältigte mich. Ich brüllte wie am Spieß.
    Golin Chanum sagte, »Na bitte, jetz ist es vorbei. Da gab’s doch nix zu zappeln!«
    Die Hühnerfeder in ihrer Hand war blutgetränkt. Ich schlief ein.
    Jemand rief mich, »Steh auf, steh auf. Willste nich nach Hause gehn?«
    Offenbar hatten Roqieh und Golin Chanum zu Mittag gegessen, Wasserpfeife geraucht und ihren Tee getrunken. Ich wachte auf. Ich war erschöpft.
    »Soll ich dir was zu essen bringen?«
    »Nein, ich will nach Hause gehen. Wieviel Uhr ist es?«
    »Zwei Uhr. Wenn ich dich gelassen hätte, hätteste bis abends geschlafen.«
    Kraftlos und gedehnt sagte ich, »O weh… es ist sehr spät geworden.«
    Ich richtete mich auf. Offenbar hatte man mich wie ein Baby eingewickelt. Sobald ich mich aufsetzte, floß ein Blutschwall aus meinem Körper. Zum Glück trug ich Windeln. Mühevoll zog ich den Beutel, in den ich das Geld getan und den ich mir in der Kutsche um den Hals gehängt hatte, oben aus dem Kleid und gab Golin Chanum dreißig Tuman. Ihr Blick fiel auf das übrige Geld, und sie schob den Betrag, den ich ihr geben wollte, fort. »Nee, meine Beste. Das is zu wenich.«
    »Aber du hast gesagt, dreißig oder vierzig Tuman.«
    »Mußte dann nur die dreißig Tuman gebn? Ich hatte ’nen Tach lang mit dir zu tun. Von morgens bis nachmittags. Annere Fraun kommen her. Ihre Arbeit is sofort erledicht, und dann stehn sie auf und gehn nach Hause. Du bist sehr wehleidig.«
    Ich war zu erschöpft und glücklich, um mit ihr zu streiten. Ich fragte

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