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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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sie, »Bist du sicher, daß die Arbeit erledigt ist?«
    »Pah, ich danke auch sehr. Hattest Glück, daß de im ersten Monat warst. War ja nix, nur ’n Klumpen Blut. Dann weißte noch nich, was ich alles fertich bring!«
    Sie nahm mir zehn weitere Tuman ab und fragte, »Willste ’ne Kutsche?«
    »Ja.«
    Sie zog sich den Tchador über, und ich erreichte mit ihrer und Roqiehs Hilfe die Einmündung der Gasse. Sie besorgte mir eine Kutsche. Bei jeder Bewegung der Kutsche trat Blut aus. Ehe wir das Hammam unseres Viertels erreicht hatten, war ich nahe daran, ohnmächtig zu werden. Roqieh hatte es mit der Angst zu tun bekommen. Sanft drückte ich ihr fünfzehn Tuman in die Hand. Sie sagte, »Chanum Djan, ich steige hier aus.« Sie machte eine Pause und fragte, »Geht es Ihnen gut?«
    »Keine Sorge. Mir geht es sehr gut. Geh in Frieden.«
    Sie stieg aus. Sie wunderte sich über meine Großzügigkeit und war entzückt. Sie wußte nicht, wie viel mir ihre Hilfe bedeutete. Sie betrat das Hammam, drehte sich beim Gehen zweifelnd um und musterte mich. Ich gab dem Kutscher das Fahrgeld und sagte ihm, er solle mich bis in die Nähe des Hauses fahren. Ich besaß keine Kraft mehr. In meinem Unterleib breitete sich ein Schmerz aus, der sich nach und nach steigerte.
    »Halt hier an.«
    Die Kutsche blieb stehen. Ich saß nach wie vor an meinem Platz. Ich konnte mich nicht erheben, um auszusteigen. Der Kutscher fragte, »Weshalb steigst du denn nicht aus?«
    »Ich kann nicht. Mir geht es nicht gut.«
    Ich streckte die rechte Hand aus, doch so sehr ich mich auch bemühte, es gelang mir nicht einmal, mich nach vorn zu ziehen. Das Verdeck der Kutsche war geöffnet. Mit der linken Hand preßte ich mein Hammam-Bündel an mich. Ich weiß nicht, ob sich der Kutscher ängstigte oder ob er Mitleid für mich empfand. Plötzlich erhob er sich von seinem Platz, sprang herunter und fragte, »Wo ist dein Haus?«
    Ich zeigte es ihm mit der Hand, »Es ist diese Tür hier.«
    Er packte mich über dem Tchador an den Hüften und hob mich wie eine Spielzeugpuppe hoch. Er drehte sich um und setzte mich neben der Tür ab und klopfte ein Mal an der Tür. Dann sprang erauf den Kutschbock und fuhr rasch davon. Ich hörte die Stimme meiner Schwiegermutter, »Sie ist endlich gekommen.« Also war Rahim nach Hause gekommen.
    Meine Beine schlotterten aus Angst vor Rahim und wegen der Blutungen. Sie knickten ein, und ich lehnte mich an die Tür. Ich rutschte auf die Erde. Das Hammam-Bündel glitt aus meiner Hand. Ich hatte einen Schwächeanfall.
    Die Tür öffnete sich, und meine Schwiegermutter streckte den Kopf heraus. Sie sah zunächst auf die Gasse und dann, als sie niemanden erblickte, verblüfft nach links und nach rechts. Dann sah sie mich. Unvermittelt schlug sie sich auf den Kopf. »Rahim, komm. Komm doch.«
    Rahim erschien und sah mich.
    »Was ist los? Weshalb liegt sie da?«
    »Ich glaube, sie ist ohnmächtig geworden. Trag sie ins Zimmer.«
    Rahim ergriff mich mit einer Hand unter den Knien und mit der anderen unter dem Kopf und hob mich wie eine Feder hoch. Währenddessen sagte er, »Ihr Hammam-Zeug, Nanneh. Bring ihr Hammam-Zeug mit.«
    Meine Schwiegermutter nahm mein Hammam-Bündel, schloß die Tür und rannte vor uns ins Zimmer. Als Rahim, der mich im Arm hielt, es erreichte, hatte sie meine Matratze ausgebreitet und ein Shamad darüber gelegt. Rahim warf, während er mich im Arm hielt, einen Blick auf meine schweißnasse Stirn und fragte mich, »Mahbub Djan, was ist geschehen? Ist dir im Hammam übel geworden?«
    Meine Schwiegermutter sagte, »Leg sie auf den Boden. Sie war gar nicht im Hammam!«
    Rahim fragte wütend, »Woran hast du das gemerkt?«
    »An ihren Haaren, die trocken sind. Daran, daß sie dasselbe Kleid trägt wie heute morgen. Daß sie nicht wie nach einem Bad riecht…«
    Rahim legte mich behutsam auf die Matratze. Dennoch durchzuckte mich bei der Erschütterung ein Schmerz, und wieder trat Blut aus.
    Seine Mutter nahm mir den Tchador vom Kopf. Wegen der Hitze trug ich ein langes, weißes Hemd mit einem gerüschten, rosa gemusterten Rock, der mir bis an die Fußknöchel reichte. Sie sagtezu ihm, »Heb sie hoch, damit ich das Shamad unter ihr wegziehen kann. Rahim hob mich hoch, und seiner Mutter entfuhr ein Seufzer, »Schau, Rahim, sie hat eine Blutung!«
    Rahim kniete sich neben meine Matratze und starrte auf das Blut, das meinen Rock und das Laken rot gefärbt hatte. Dann sah er mir entsetzt ins Gesicht. Meine Augen standen halb

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