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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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erwacht. Nicht oberflächlich, sondern sorgfältig. Als sei er nach längerer Zeit von einer Reise zurückgekehrt, so daß ich ihn begutachtete. Er hatte sein Haar eingeölt und zur Seite gekämmt.. Das linke Bein hatte er ausgestreckt, das rechte Knie angewinkelt und die rechte Hand darauf abgestützt. Ruhig und sorglos. Er rauchte. Neuerdings war er ein Raucher geworden. Rechts neben ihm stand ein Aschenbecher auf dem Teppich. Sein Atem roch nach Alkohol. Er drückte sich vor der Arbeit, wie gewöhnlich. Er erhob sich von seinem Platz. Er brachte seine Holzkiste, in der sich seine Kalligraphie-Utensilien befanden, und stellte sie neben sich. Er tunkte die Bambusfeder in das Tuschefäßchen und begann zu schreiben. »Was schreibst du?«, fragte ich.
    Er drehte das Papier um zu mir, Mein Herz verliere ich, ihr gottsuchenden Weisen.
    Ich erschauerte.
    »Wie sehr dir dieses Gedicht gefällt! Hast du es nicht schon einmal geschrieben?« Mit der Hand deutete ich auf die Wand über der Nische.
    Er lachte und sagte, »Alle paar Jahre sehne ich mich danach, es wieder zu schreiben.« Er beendete das Gedicht und legte es in die Wandnische zum Trocknen.
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, schien groß die Sonne. Ich verspürte kein Verlangen, aufzustehen. Ich besaß keine Hoffnung mehr. Es war gegen Mittag, als ich mich erhob und in den Salonging. Die Kalligraphie lag nicht mehr an ihrem Platz. Rahim hatte sie mitgenommen.
    Es war gegen Ende des Sommers. Die Amme kam. Wir saßen im Salon und tranken Tee. Sobald ich sie erblickte, wurden alte Wunden aufgerissen, und ich brach in Tränen aus. Die Amme sagte, »Hör auf damit, mein Liebes. Weshalb quälst du dich so? Wann willst du endlich davon ablassen?«
    »Liebe Amme, das ist doch nicht mein einziger Kummer. Ich werde nicht mehr schwanger.«
    Unwillkürlich sagte die Amme, »Um so besser. Gott sei Dank. Bei diesem lüsternen Ehemann, der…« Sie biß sich auf die Lippe.
    »Was?«
    »Nichts, ich hab nichts gesagt.«
    »Sag schon, Amme. Ich weiß, daß du irgend etwas weißt.«
    »Woher sollte ich es wissen? Ich hab einfach nur so daher geredet.«
    Ich sah ihr eindringlich in die Augen und sagte energisch, »Sag es, Amme.«
    »Was soll ich sagen? Wallah, es ist nichts. Dadde Chanum, die Frau von Firuz, ist ein, zwei Mal an seinem Geschäft vorbeigegangen. Sie sagte, sie hätte etwas gesehen.«
    »Was, zum Beispiel?«
    »Wallah, ich weiß es nicht. Ihren Worten ist doch nicht zu trauen. Sie hat nur diese Anspielung gemacht.«
    »Was hatte sie bei seinem Geschäft zu suchen?«
    »Wallah, sie hatte eurer Tante eine Nachricht überbracht. Mittags hatte man sie da behalten. Nach dem Mittagessen wollte sie umkehren und ist unterwegs an Rahim Aghas Geschäft vorbeigekommen.«
    »Rahim Aghas Geschäft und Tante Keshwars Haus, weißt du, wie weit die voneinander entfernt sind?«
    »Eben, ich habe es doch gesagt. Ihren Worten ist nicht zu trauen. Sie lügt.«
    »Nein, sie lügt nicht. Bestimmt ist sie vor lauter Neugierde hingegangen, um ihn zu bespitzeln, ... aber lügen tut sie nicht…«
    »Nun sag aber um Gottes willen bloß nichts zu Rahim Agha!… Er würde es mir übelnehmen.«
    »Ich bin doch kein Kind, liebe Amme!«
    Ich hatte bereits zuvor etwas geahnt, aber ich wollte es nicht glauben. Ich stellte mich dumm. Es war mir gleichgültig. Dennoch war mir etwas aufgefallen. Daran, daß er mittags nicht nach Hause kam, an seinem Anzug, an seinem Haarebürsten, seiner Kalligraphie, an Mein Herz verliere ich…
    Ich aß zu Mittag. Rahim war nicht zu Hause. Ich stellte mich schlafend. Meine Schwiegermutter schlief in ihrem Zimmer. Vorsichtig nahm ich den Schleier und meine Schuhe und schlich auf Zehenspitzen zum Korridor. Ich hüllte mich in den Tchador und zog mir den Gesichtsschleier über. Ich zog die Schuhe an und verließ das Haus. Seit Mittag war erst eine halbe Stunde vergangen. Eilig ging ich durch eine baumbestandene Straße und einige Gassen. Rahims Geschäft besaß zwei Türen. Die Haupttür führte auf die Straße. Sie war jedoch geschlossen. Ich betrat die Seitenstraße und lugte in ein Gäßchen, parallel zur Hauptstraße, auf das eine kleine Tür des Geschäfts führte. Sie stand offen. Das Geräusch der Säge war zu hören. Sonst tat sich nichts. Ich ging bis an das Ende der Seitenstraße und kehrte zurück. Immer noch tat sich nichts. Ein paar Mal ging ich verstohlen auf und ab. Wäre jemand auf der Straße gewesen, hätte er angesichts meines Verhaltens bestimmt

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