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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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die Eingangstreppe rauf steigen sah. Da bin ich in die Wohnung zurückgelaufen, um mir ein Hemd und Schuhe anzuziehen und halbwegs manierlich auszusehen, falls er mich irgendwie brauchen sollte.«
    »Haben Sie in diesem Augenblick in die Eingangshalle geschaut?«
    »Ja, natürlich, Madam, sie liegt ja direkt vor meiner Wohnungstür.«
    »Und wer hat sich dort aufgehalten?«
    »Wer soll sich dort aufgehalten haben? Niemand natürlich.«
    »Konnten Sie von Ihrer Wohnungstür aus die ganze Eingangshalle überblicken? Alle Sessel? Ich meine, gibt es dort nicht vielleicht irgendwelche Ecken oder Nischen, die nicht eingesehen werden können?«
    »Nein, ich konnte die ganze Eingangshalle überblicken. Sie ist ja nicht gerade groß und liegt direkt vor meiner Wohnung.«
    »Denken Sie gut nach. Haben Sie in der Eingangshalle vielleicht zwei Männer schlafen sehen?«
    »Nein, Euer Ehren, die Eingangshalle war völlig leer. Ich habe dort keine Menschenseele gesehen.«
    »Und wo befand sich Officer Morgan, als Sie in die leere Eingangshalle geschaut haben?«
    »Er kam gerade durch die Eingangstür, Madam. Wenige Augenblicke später klopfte er dann an meine Tür, fragte nach diesem Zimmer und ließ sich von mir das Gästebuch zeigen, wie ich bereits gesagt habe.«
    Mein Hirn war inzwischen genauso geschrumpft wie meine Gestalt, aber ich hatte immerhin eine idiotische Geschichte parat, um erklären zu können, wieso dies bereits das zweitemal gewesen war, daß ich in der Eingangshalle des Hotels auftauchte, während Homer dachte, ich wäre eben erst angekommen. Ebenso war ich fest entschlossen zu schwören, das Telefon hätte funktioniert. Schließlich war mit so einem defekten Telefon alles möglich. Und selbst wenn mir dieser neugierige kleine Hosenscheißer nach oben gefolgt sein sollte, würde ich das Gericht vielleicht davon überzeugen können, daß ich mich Landry zu erkennen gegeben hatte, bevor Downey oben angelangt war. Und was sollte es schon? Downey konnte nicht wissen, ob das Marihuana auf der Kommode oder im Schrank gelegen hatte, und so versuchte ich mir einzureden, es würde schon alles klappen, so daß ich meine Unschuldsmiene, die ich jetzt mehr denn je brauchte, ruhig beibehalten konnte.
    Ich war also bereit, während ich darauf wartete, wieder aufgerufen zu werden, obwohl mein rechtes Knie verrückt spielte und zitterte, was das Zeug hielt. Und dann forderte die Richterin den Staatsanwalt und den Verteidiger auf: »Würden Sie bitte an die Richterbank treten.«
    In diesem Augenblick wußte ich, daß es aus war. Ich konnte das Haifischgrinsen in Landrys Gesicht förmlich spüren, als er sich mir zuwandte, obwohl ich wie ein Scheintoter geradeaus vor mich hinstarrte und mir bereits vorstellte, wie ich wegen Meineids in Handschellen aus dem Saal geführt würde. Schließlich hätte wohl kaum jemand so blöd sein können, um nicht zu erkennen, daß dieser Idiot von Homer Downey nichts als die nackte Wahrheit gesagt hatte und nicht im geringsten verstand, worum es dem Verteidiger eigentlich gegangen war.
    Als die beiden nach kurzer Beratung mit der Richterin wieder an unseren Tisch zurückkamen, lächelte mich der Staatsanwalt gequält an und flüsterte mir zu: »Es war wegen des Namens im Gästebuch. Als der Verteidiger spitzgekriegt hat, daß Homer den richtigen Namen Landrys gar nicht kannte, hat er ihn wegen des Gästebuchs gefragt. Und deswegen wurde ihm schlagartig alles klar. Sie wird das Verfahren einstellen. Ich weiß gar nicht, was ich Ihnen bezüglich dieser Sache raten soll, Officer Morgan. So etwas ist mir noch nie passiert. Vielleicht sollte ich mich mit meinem Büro in Verbindung setzen und dort anfragen, was ich tun soll, falls …«
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens zu stellen, Mr. Jeffries?« wandte sich die Richterin an den Verteidiger, der wie von der Tarantel gestochen aufsprang und genau dies tat, worauf sie das Verfahren für eingestellt erklärte. Und dann konnte ich Landry leise, aber deutlich vernehmbar kichern hören, und ich wußte, daß er dieser kleinen Pythonschlange mit dem Babygesicht, die ihn verteidigt hatte, überschwenglich die Hand schüttelte.
    Dann neigte sich Landry am Verteidiger vorbei zu mir herüber und zischte mir ins Ohr: »Besten Dank, Blödmann.« Der Verteidiger stieß ihn jedoch sofort in die Rippen und machte ihm klar, daß er sich gefälligst zusammennehmen sollte. Inzwischen hatte der Gerichtsdiener seine Hand auf

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