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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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besser.

 

    4.
    Es ging mir immer gleich besser, wenn ich einfach durch die Gegend fuhr, ohne zu denken. Also stellte ich den Funk ab und tat genau das. Ziemlich bald – ich brauchte gar nicht erst auf die Uhr zu sehen – wußte ich, daß es Zeit zum Essen war. Ich konnte mich nicht recht entscheiden, ob ich nach Chinatown oder nach Little Tokyo fahren sollte. Mexikanisch wollte ich auf keinen Fall essen, da ich Cruz Segovia versprochen hatte, an diesem Abend bei seiner Familie zum Essen vorbeizukommen. Und bei dieser Gelegenheit würde ich sicher so mit mexikanischem Essen vollgestopft werden, daß ich eine Woche lang über die Runden kommen würde, ohne zu essen. Seine Frau Socorro wußte, wie sehr ich Chile relleno mochte, und sie würde sicher allein für mich ein ganzes Dutzend davon machen.
    Ich hatte Lust auf ein paar Hamburger, und ich kannte ein Lokal, in dem es die besten von ganz Hollywood gab. Jedesmal, wenn ich nach Hollywood komme, muß ich unwillkürlich an Myrna denken, hinter der ich vor einigen Jahren einmal her war. Sie war eine ziemlich ausgeflippte Hollywood-Type, aber sie hatte einen guten Job in einem Fernsehstudio, und wenn wir ausgingen, gab sie mehr Geld aus als ich. Sie liebte es, Geld zu verschleudern, aber was mich letztlich wirklich an ihr anzog, war der Umstand, daß sie aussah wie Madeleine Carroll, deren Fotos wir während des Krieges überall in unseren Spinden herumhängen hatten. Nicht nur, daß Myrna wirklich Stil hatte und ganz bezaubernde, hüpfende Titten – sie sah wie eine wirkliche Frau aus und benahm sich auch so. Nur fixte sie ein bißchen arg viel, und es störte mich auch, daß sie sexuell so gern improvisierte. Solange sich so etwas in Grenzen hält, finde ich das ja gar nicht einmal so übel, aber in manchen Dingen war mir Myrna dann doch etwas zu extravagant, zumal sie auch darauf bestand, daß ich mitrauchte.
    Schließlich ließ ich mich breitschlagen und qualmte einen Joint mit ihr. Allerdings kam ich dabei keineswegs so gut in Fahrt wie mit einem anständigen Scotch. Auf dem Couchtisch in ihrem Wohnzimmer lag einfach ein halbes Kilo Shit herum, und was das bedeutete, wußte ich als Polizist leider nur allzugut. Ich malte mir schon richtig aus, wie sie uns bei einer Razzia deswegen die Hölle heiß machen würden. Jedenfalls wurde es für mich ein eher deprimierendes Erlebnis, wobei ich nicht sagen könnte, ob das nun auf die beruhigende Wirkung von Haschisch zurückzuführen war oder sonstwas. Jedenfalls sank meine Stimmung zusehends, und am Ende fühlte ich mich so miserabel, daß ich sie am liebsten verprügelt hätte. Wenn ich es mir so im nachhinein überlege, war es vermutlich gerade das, was Myrna an der ganzen Sache am meisten Spaß machte. Jedenfalls trat ich – Madeleine Carroll hin oder her – den Rückzug an, und sie gab es nach ein paar Wochen ebenfalls auf, mich anzurufen. Vermutlich hatte sie in der Zwischenzeit irgendeinen dressierten Gorilla oder etwas Ähnliches aufgerissen.
    Da war jedoch eines an Myrna, das ich bestimmt nie vergessen werde. Sie war eine großartige Tänzerin – keine gute Tänzerin, eine großartige Tänzerin. Myrna hörte nämlich beim Tanzen völlig zu denken auf. Und genau das, glaube ich, ist das ganze Geheimnis. Sie stand mächtig auf Hard Rock, und sie bewegte sich wie eine Schlange. Wenn sie auf die Tanzfläche trat, hörten alle anderen zu tanzen auf, um ihr zuzusehen. Über mich haben sie natürlich nur gelacht – das heißt, zumindest anfangs. Aber dann merkten sie plötzlich, daß da zwei tanzten. Mit dem Tanzen ist es schon komisch – es ist so wie Essen oder Sex. Man tut es einfach und vergißt darüber ganz, daß man noch ein Hirn hat. Man ist dabei ganz Körper, und es fährt einem tief in die Eingeweide, und zwar besonders bei Hard Rock. Und Hard Rock ist auf musikalischem Gebiet momentan wirklich das Größte. Wenn Myrna und ich wirklich loslegten zum Beispiel in einer Disco am Sunset Strip, wo die jungen Leute hingingen – dann waren wir körperlich vereint. Das hatte nicht nur mit Sex zu tun – es war einfach das Gefühl, als befänden sich unsere Körper in totaler Harmonie, und es war gar nicht mehr nötig, irgend etwas zu denken.
    Am Anfang experimentierte ich mit dem ›Funky chicken‹. Ich weiß, daß der ›Funky chicken‹ inzwischen etwas aus der Mode ist, aber mir war das egal, und am Anfang lachten auch alle, weil mein Bauch so komisch herumschaukelte und wackelte. Das gleiche

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