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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Restaurant verließ. Das schien mir selbst für eine Asiatin etwas übertrieben. Ich hatte deswegen auch ein schlechtes Gewissen, und ich wünschte mir bei meinen Besuchen auch ab und zu, ich könnte unsere Routine durchbrechen und etwas für mein Essen bezahlen. Aber bei ihr hatten die Polizisten schon vor meiner Zeit umsonst gegessen, und daran würde sich auch in Zukunft nichts ändern. So war das eben. Ich erzählte Mama nicht, daß Freitag mein letzter Tag sein würde, und ich versuchte, gar nicht darüber nachzudenken, da ich es mir mit einer halben Tonne Sushi im Bauch nicht leisten konnte, von Verdauungsstörungen geplagt zu werden.
    Bevor ich ging, kam Sumi noch zu mir herüber und hielt mir die kleine Teetasse an die Lippen. Und während ich daran nippte, fragte sie: »Na, Bumper, wollen Sie mir nicht eine Räuber-und-Gendarm-Geschichte erzählen?« Das tat sie öfter, und ich bin mir sicher, daß sie wußte, welche Wirkung es auf mich hatte, ihren süßen Atem so nahe zu spüren und ihre schokoladenbraunen Augen und ihre zarte Haut zu betrachten.
    »Na gut, meine kleine Lotosblüte«, brummte ich wie W. C. Fields, was sie zum Kichern brachte. »Aber paß auf, daß du keine Gänsehaut bekommst.«
    Und dann erzählte ich ihr, wieder mit meiner normalen Stimme, von diesem Typen, den ich eines Tages angehalten hatte, weil er an der Second Street, Ecke San Pedro, ein Rotlicht überfahren hatte. Er war schon vor einem Jahr aus Japan in die Staaten gekommen und hatte auch einen kalifornischen Führerschein, aber er sprach kein Wort Englisch, beziehungsweise tat er so, um sich um den Strafzettel herumzudrücken. Ich ließ mich aber nicht dadurch beeindrucken und wollte ihm auf jeden Fall einen verpassen, da er fast einen Fußgänger über den Haufen gefahren hätte. Und als ich den Strafzettel dann ausgefüllt hatte, weigerte er sich, ihn zu unterschreiben. »Nicht schuldig, nicht schuldig«, brachte er zu seiner Verteidigung nur immer wieder mühsam hervor, worauf ich ihm fünf Minuten lang zu erklären versuchte, daß er mit der Unterschrift lediglich sein Erscheinen vor Gericht zusicherte und einen Prozeß haben konnte, wenn er darauf bestand – daß ich ihn aber verhaften müßte, falls er sich weiterhin weigerte zu unterschreiben. Aber er schüttelte nur immer wieder den Kopf, als verstünde er mich nicht, bis es mir schließlich zu dumm wurde und ich etwas auf die Rückseite eines Strafzettels zeichnete. Dasselbe Bild zeichnete ich jetzt noch einmal für Sumi. Es war ein vergittertes Gefängnisfenster, durch das ein Strichmännchen mit traurig herabhängendem Mund und Schlitzaugen sah. Ich zeigte dem Burschen dieses Bild und forderte ihn auf: »Würden Sie jetzt vielleicht unterschreiben?« Und daraufhin hatte er es so eilig, seine Unterschrift unter diesen Strafzettel zu setzen, daß er meine Bleistiftmine abbrach.
    Sumi lachte und wiederholte die ganze Geschichte für Mama auf japanisch. Als ich mich, nachdem ich Mako ein Trinkgeld gegeben hatte, zum Gehen anschickte, dankten sie mir wieder alle so herzlich, daß ich wirklich ein schlechtes Gewissen bekam. Das war das einzige, was ich an J-Town nicht mochte. Ich wünschte mir nichts mehr, als hier für mein Essen bezahlen zu dürfen, wobei ich zugeben muß, daß ich diesen Wunsch sonst nirgendwo verspürte.
    Ehrlich gesagt, es gab für mich praktisch keine Möglichkeit, mein Geld loszuwerden. Ich aß in meinem Revier drei Mahlzeiten. Und Getränke, Kleidung, Schmuck und alles, was man sonst noch so braucht, konnte ich ausnahmslos zum Einkaufspreis oder noch günstiger kriegen. Eigentlich bekam ich immer irgend etwas von irgend jemandem geschenkt. Ich hatte meine spezielle Bäckerei und einen Milchladen, in dem ich tonnenweise umsonst Eiscreme, Milch, Hüttenkäse und alles einstreifen konnte, wonach mein Herz begehrte.
    Meine nette Wohnung kostete mich auch nichts, und ich mußte nicht einmal für die Nebenkosten aufkommen, weil ich dem Manager bei der Verwaltung der zweiunddreißig Wohnungen half. Oder zumindest bildete er sich ein, ich wäre ihm dabei eine Hilfe. Wenn bei irgendeiner Party die Gäste ein bißchen zu laut wurden, verständigte er mich, worauf ich aufstand, mich unter die Gäste mischte und sie überredete, ein wenig leiser zu sein, während ich mich an ihren Getränken und Snacks gütlich tat. Ab und zu schnappte ich auch einen Spanner oder irgendeinen anderen Spinner, und da der Manager ein Angsthase war, hielt er mich für

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