Der Müllmann
praktisch
empfunden. Dazu noch ein stabiler Stuhl, und man konnte davon ausgehen, dass
der Gast dort blieb, wo er war. In diesem Fall in meiner Garage, das Gesicht
zur Wand, wo es am wenigsten zu sehen gab. Die Garagentür schloss nicht mehr so
genau wie vor dem Angriff auf Nina, aber es war genug für den Moment.
Während ich
darauf wartete, dass sich mein ungebetener Gast wieder regte, studierte ich
dessen Besitztümer, die ich vor mir auf dem alten Campingtisch ausgebreitet
hatte. Die Kamera, eine hochwertige Nikon, Zubehör, drei Speicherkarten, eine
Brieftasche, Autoschlüssel, Kleingeld, ein kleines Schweizer Taschenmesser. In
der Brieftasche etwa siebzig Euro, noch mehr Kleingeld und ein paar Ausweise.
Alle ausgestellt auf den Namen Martin Landvogt. Unser Zaungast aus dem Café.
Der Künstler der freien Presse, wie Kommissar Berthold ihn bezeichnet hatte.
Der sich darüber beschwert hatte, als die alte Dame ihn verpetzte. Ich hatte
ihn in dem Moment erkannt, als ich ihm diese blödsinnige Skimütze vom Kopf gezogen
hatte.
Nur, warum zur Hölle war der Kerl nun hinter mir her?
Das Gute an Digitalkameras war, dass man keinen Film entwickeln
musste. Ich holte meinen Laptop und zog mir den Inhalt der Speicherkarte auf
meine Festplatte herunter. Als ich die ersten Bilder öffnete, konnte ich nur
mit dem Kopf schütteln.
Schon gestern hatte ich ja das Gefühl gehabt, als ob mich jemand
beobachten würde, aber tatsächlich war mir niemand aufgefallen. Auch Landvogt
nicht, der da aber offenbar bereits Zaungast gewesen war.
Tja, du hast auch nicht nach ihm
gesucht. Wolltest ja unbedingt den Köder spielen.
Weil ich wissen wollte, ob ich mich täuschte oder nicht. Mein neuer
Freund hier hatte den Köder geschluckt. Und gegen seine Kamera waren meine
Panzerglasscheiben wirkungslos gewesen.
Noch etwas anderes wurde mir klar: Es war wirklich dringend an der
Zeit, endlich Vorhänge für das Küchenfenster zu besorgen.
Langsam klickte ich die Bilder durch, hier und da zog ich eines in
einen anderen Ordner, manchmal verharrte ich auch länger auf einem Bild. Dieses
eine zeigte Marietta heute Morgen in der Küche, mit einer grinsenden Ana Lena
im Hintergrund. Marietta trug mein Hemd, und die Art, wie Landvogt sie eingefangen
hatte, ihren Blick, ihr Lachen, war atemberaubend.
Ich sah zu meinem Gast hin. Landvogt war ein Idiot. Er sollte
Bildbände herausgeben, sich als Künstler versuchen und nicht als
Schmierenjournalist armen Exagenten durch ein Küchenfenster nachstellen.
Anhand der Bilder auf der Speicherkarte ließ sich Landvogts Weg
rekonstruieren. Er hatte mir wohl heute schon den ganzen Tag aufgelauert, aber
die letzten Bilder von mir, oder die ersten, waren die Bilder, die mich
zeigten, als ich vor dem Kindergarten verhaftet worden war.
Offenbar hatte er mich erkannt, denn er war mir sogar bis zur Wache
gefolgt, wo man mich eingesperrt hatte. Er hatte auch Mariettas und Bertholds
Ankunft dort fotografiert, war uns zum Polizeihof und dann zu mir nach Hause
gefolgt. Ein lückenloses Portrait meines Tages. Inklusive meiner Spritztour
nach Hanau. Eines der Bilder zeigte, wie Richter nach mir schlug. Wie er
hinfiel. Wie ich seinen Schlagstock wieder in die Gürteltasche steckte.
Ich sah mir diese Bilder an und schüttelte den Kopf. Da wird man
ausgebildet zu bemerken, wenn jemand einem folgt, und dieser Paparazzo für Arme
war mir entgangen. Ausgerechnet heute Abend war er zur Stelle gewesen, um
zweifelsfrei zu dokumentieren, dass Richter mich angegriffen hatte und dann gestürzt
war.
Jetzt war es amtlich: Gott hat tatsächlich einen schrägen Humor.
Natürlich konnte man mich noch fragen, was ich dort eigentlich zu
suchen hatte, aber schließlich war dies ja ein freies Land.
Das nächste Bild war von Marietta, als sie vorhin zu mir gekommen
war. Landvogt hatte sie im sanften Licht der Straßenlaterne erwischt, als sie
aus ihrem alten Porsche ausstieg und auf diese ganz spezielle Art lächelte, die
ich noch von früher kannte. Als ob sie glücklich wäre.
Und du hast es ihr versaut.
Das blieb noch abzuwarten. Ich kopierte die Bilder in einen anderen
Ordner und ging dann wieder zurück, bis zu dem Moment, an dem ich verhaftet wurde.
Ich sah gelangweilt aus, stellte ich überrascht fest.
Du wusstest ja auch, dass du nicht
in einem Militärgefängnis landest.
Mag sein. Ist aber irgendwie auch interessant, sich mal von außen zu
sehen. Offenbar war das die Szene gewesen, in der Landvogt auf mich
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